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gegen gewisse Dinge, Töne, Gerüche ist dem fixen Wahne Geisteskranker zu vergleichen und gewiß ist z. B. eine Dame, welche beim Anblicke einer Maus die schrecklichsten Angstschreie ausstößt, sich zu flüchten sucht, Krampfanfälle bekommt, einer Verrückten, die vor den Gebilden ihrer Hallucinationen erschrickt, ähnlich wie ein Ei dem anderen.

Kaufmann von Venedig IV, 1:

Shylock. Es giebt der Leute, die kein schmatzend Ferkel

Ausstehen können, manche werden toll,

Wenn sie 'ne Katze seh'n, noch and're können,

Wenn die Sackpfeife durch die Nase singt,

Vor Anreiz den Urin nicht bei sich halten.

...

Von einem Manne, der den Urin beim Tone der Sackpfeife nicht an sich halten konnte, berichtet nach Wieland's Angabe Scaliger. Von letzterem entnahm wohl Shakespeare obige Notiz. Casper (Praktisches Handbuch der gerichtl. Medicin) erzählt von einem Manne, der von einem unwiderstehlichen Wollustdrange befallen wurde, sobald er bei einem Riemer Peitschen aushängen sah.

Der junge Bertram in 'Ende gut Alles gut' theilt die weitverbreitete Idiosyncrasie gegen Katzen.

Die melancholische Gemüthsstimmung vieler Engländer, heutzutage unter dem Namen Spleen bekannt, dient auch unserem Dichter zu humoristischen Ausfällen:

König Heinrich VI. I, v, 4:

Pucelle.

euch lass' ich meinen Fluch.

Die lichte Sonne werfe ihre Strahlen

Nie auf das Land, das euch zum Sitze dient!
Umgeb' euch Nacht und düst'rer Todesschatten,
Bis Unheil und Verzweifelung euch drängt,
Den Hals zu brechen, oder euch zu hängen!

Hamlet V, 1:

Hamlet. Ei so! Warum haben sie ihn nach England geschickt? Todtengr. Nun, weil er toll war. Er soll seinen Verstand da wieder kriegen und wenn er ihn nicht wieder kriegt, so thut's da nicht viel. Hamlet. Warum?

Todtengr. Man wird's ihm da nicht viel anmerken: die Leute sind da eben so toll, wie er.

Noch einmal betonen wir, selbst auf die Gefahr hin, der Wiederholung beschuldigt zu werden, die eminenten Ergebnisse dieses Kapitels, besonders da die wichtigsten Punkte von Keinem vor uns in das richtige Licht gestellt worden sind, so Viele auch schon über die Geisteskranken Shakespeare's geschrieben haben.

Erst neuere medicinische Schriftsteller, ganz besonders Guislain (Traité sur les phrénopathies 1835) sprachen es entschieden aus, daß die psychischen Störungen Gehirnkrankheiten entspringen: Shakespeare hat dasselbe mit größter Deutlichkeit schon vor mehr als zweihundert Jahren dargelegt.

Erst die neueren medicinischen Schriftsteller verlegten den Ausgangspunkt aller psychischen Störungen in die schmerzhafte Gemüthsstimmung der Melancholie: Shakespeare hat dasselbe schon mit vollkommener Klarheit ausgesprochen.

Erst die neueren medicinischen Schriftsteller wiesen nach, daß psychische Störungen mit gewissen, noch in die Breite der Gesundheit fallenden Aeußerungen analog seien: in Shakespeare's Dramen finden wir dasselbe überzeugend dargethan.

Erst die neueren medicinischen Schriftsteller haben gelernt, die verschiedenen Arten der Geistesstörung als Stadien eines und desselben Processes zu erkennen: dem Auge Shakespeare's war diese Wahrheit schon vor mehr als zweihundert Jahren nicht verborgen.

Daß die schon von Shakespeare angegebene Behandlungsweise Geisteskranker auch die heute von allen Aerzten als richtig anerkannte ist, haben schon Andere vor mir nachgewiesen.

Die schwarze Schöne der Shakespeare

Sonette.')

Von

Fritz Krauss.

Die Sonette Shakespeare's gelten schon lange für ein Feld, auf dem

nichts mehr zu gewinnen ist. Man läßt sie am besten liegen, denn etwas Zweifelhaftes haben sie immer; oder will man sich mit ihnen beschäftigen, so nehme man sie lediglich als Erzeugnisse freier dichterischer Phantasie, da es am Ende doch zu gewagt ist, des Dichters Selbstbiographie darin zu erblicken. Lese ein Jeder heraus, was er will. Das ist ungefähr der Standpunkt, den heute die 'Wissenden' den Sonetten Shakespeare's gegenüber einnehmen.

Ich gestehe, daß ich mich damit nicht beruhigen kann; denn viel zu tief ist in die Gemüther der Nichtwissenden, oder Uneingeweihten, d. h. des allgemeinen Publicums die Ansicht über Shakespeare eingedrungen, die ihre Entstehung einer persönlichen Auslegung der

1) Die Kämpfer um das Sonetten-Geheimniß haben sich in zwei große Massen getrennt, sie tragen auf ihren Fahnen die Worte hier:,,poetische Fiction!" dort:,,biographische Treue!" Massey ist der Führer einer dritten Partei, welche es sich zur Aufgabe macht, jene Kämpfer untereinander und mit einem modus vivendi in der Auffassung zu versöhnen, welche obigen beiden Wahlsprüchen zum Theil gerecht wird. Der folgende Aufsatz geht auf Massey's Wegen selbstständig weiter, und ist der gewissenhaftesten Prüfung werth. Es wird eine interessante Aufgabe der Kritik sein, die im vorigen Jahrgange pg. 415 erwähnte Abhandlung von Hermann Isaac, zu den Sonetten Shakespeare's mit der vorliegenden Arbeit über die schwarze Schöne zu vergleichen, und die beabsichtigte Besprechung wird deshalb um so berechtigter auf einen spätern Jahrgang verschoben, als eine im nächsten Bande erscheinende neue Abhandlung Isaac's über die Abhängigkeit Shakespeare's von Daniel nothwendig in den Kreis jener Besprechung gezogen werden muß.

D. R.

Sonette verdankt: der unglückliche junge Mann mit der alten Frau, die er sammt den Kindern in Stratford zurückläßt, um sich in London mit einer widerwärtigen dunklen Person zu trösten; der Schauspieler, der über sein verfehltes Leben jammert; der geschmeidige Dichter, der mit einem hohen Grafen eine nicht ganz saubere Freundschaft schließt, welcher er auch seine eigene Geliebte opfert, was er dann in beweglichen Versen zur Belustigung seines Freundes und dessen Genossen besingt; dieses Bild Shakespeare's ist, sage ich, zu tief in's Volk gedrungen, als daß es jetzt mit einem bloßen Achselzucken beseitigt werden könnte. Auch kann das Volksgemüth, das aus den Sonetten so viele Töne der Wahrheit heraushört, sich nicht damit zufrieden geben, im Ganzen jetzt nur poetischen Dunst zu sehen und wird im Bestreben, den Dichter mit seinem Werke zu identificiren, immer wieder, mangels eines Anderen, zu jenen Mythen zurückkehren. Diesem Dilemma möglichst ein Ende zu machen, zwischen nackter Wahrheit und absoluter Dichtung einen gesunden Mittelweg zu finden, das sollte aber ebensosehr unserer Anstrengung werth sein, wie die Festsetzung eines Komma's, einer Quantität, einer Stelle im Texte der Dramen. Ich wage deshalb, vor die Leser des Shakespeare-Jahrbuches mit einer Besprechung der Sonette Shakespeare's, hauptsächlich des zweiten Theiles, zu treten, und kann ich da manches schon Bekannte nicht umgehen, so bitte ich im Interesse der Sache um freundliche Geduld.

Die ersten 126 Sonette Shakespeare's betreffend, erlaube ich mir, auf eine Abhandlung in 'Nord und Süd'1) zu verweisen, in welcher ich, nach Gerald Massey, 2) die Thatsache, aber auch die Unverfänglichkeit der Freundschaft zwischen Shakespeare und dem Grafen Southampton, seinem hohen Gönner, festzustellen versuchte. Ich wiederhole hier nur, daß nach meiner innersten Ueberzeugung jene Freundschaft ebenso dem Dichter wie dem Grafen zur Ehre gereicht und daß in der Besingung von des Grafen Liebe zu seiner Braut gar nichts gefunden werden kann, was diesem oder dem Dichter vorzuwerfen wäre. Man muss eben einem Dichter zutrauen, daß sein großes Gefühl, sein Genius die Herzensgeschichte eines Freundes mindestens ebensogut zur eigenen machen und dichterisch verklären kann, wie die Geschichte von hundert Personen, die er für seine Stücke aus alten Büchern hervorholt oder einfach erfindet. Wer wagt es, Beethoven's Ehre anzutasten, wenn wir durch seinen Famulus Schindler erfahren, daß er selbst den zweiten Satz der Sonate op. 90 als "Conversation mit der Geliebten' bezeichnete und mit dem ganzen Werke

1) 'Nord und Süd', Februar 1879.

2) Shakespeare's Sonnets etc. London 1866 und 1872.

Jahrbuch XVI.

10

seines Freundes, des Grafen Lichnowsky, Liebesgeschichte mit einer Wiener Sängerin, die er gegen den Willen seiner hohen Verwandtschaft heirathen wollte, 'in Musik gesetzt hatte? Fürwahr eine seltsame Parallele, in welcher sich da zwei Unsterbliche begegnen!

Auf die Theorie Massey's und die Liebesgeschichte Southampton's hier einzutreten, würde uns zu weit führen; meine Uebersetzung der Southampton-Sonette1) enthält das Nähere für Solche, welche Massey's umfangreiche Arbeit nicht kennen sollten. Es mag ja manches in Massey's Ausführungen mangelhaft oder unrichtig sein, wie in jedem Menschenwerk, namentlich da er sich durch seine Anordnung der Sonette gezwungen sieht, jede Stelle, die er einem Sonette zuweist, zu begründen, aber im Großen und Ganzen muß er das Richtige getroffen haben, das bin ich fest überzeugt, und es will mir scheinen, daß eine Arbeit, die so aus der innigsten Verehrung für unseren Shakespeare, aus dem glühendsten Bestreben, seinen Namen von den ihm angedichteten Makeln zu reinigen, hervorgegangen ist, eine liebevollere und eingehendere Aufnahme verdient hätte, als ihr in der That zu Theil geworden.

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Nur auf Eines sei hier aufmerksam gemacht. Die siebzehn ersten Sonette, die schon Ben Johnson Anlaß zu einem schlechten Witze boten, sind von jeher bereitwillig so aufgefasst worden, als enthielten sie eine Ermunterung des Dichters an seinen jungen Freund zur Ausschweifung. Beneidenswerthe Objectivität des Urtheils! Wenn man das aber nicht glauben wollte, was sollte man dann glauben? Goedecke, dem eine solche Auffassung ebenso unmöglich schien, wie die Freundschaft mit Southampton überhaupt, erblickte in diesen Sonetten Liebesklagen der Sappho an Phaon. 2) Und doch hat Massey die unzweifelhafte Quelle zu diesen 17 Sonetten schon vor Jahren angegeben und damit eine durchaus ehrenvolle Basis für das Verhältniß des Dichters zu seinem jungen Freunde gefunden. Ich habe dies in meiner Abhandlung in 'Nord und Süd' weiter zu begründen versucht, halte es aber für nützlich, diese Quelle auch hier aufzuführen.

In Philipp Sidney's 'The Countess of Pembroke's Arcadia', erschienen 1590, sucht (III. Buch) Cecropia ihre Nichte Philoclea folgendermaßen zur Ehe mit ihrem Sohne zu bewegen:

,Nature, when you were first born, vowed you a woman, and as she made you child of a mother, so to do your best to be a mother of a child (vergleiche Shakespeare's Sonette 1. 3. 13): she gave you beauty to move love; she gave you wit to know love; she gave you an excellent

1) Shakespeare's Southampton Sonette, Leipzig, Engelmann 1872. 2) Deutsche Rundschau, März 1877, p. 386.

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