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Vorwort.

Mit vorliegender Arbeit beabsichtige ich das, was man mit dem etwas verpönten Namen „literarische Rettung" bezeichnet.

Seit man die edelsten Anstrengungen an die schwärzesten und verrufensten Gestalten der Geschichte verschwendete, sind die sogenannten Rettungen in Misscredit gekommen und man ist jetzt eher geneigt als früher, „fünfe gerad sein zu lassen".

Handelt es sich aber um eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die je gelebt, um einen Geist, der nicht nur seinem Jahrhunderte den Stempel aufgedrückt, sondern immer noch wachsenden Einfluss auf das Denken und Fühlen der Menschen gewinnt, an dem Tausende und Tausende bewundernd aufblicken, den sie lieben und verehren und achten wollen, und steht dieser Ausgezeichnete offenbar in einem falschen Lichte vor uns, so ist, scheint mir, die Gleichgültigkeit, die „fünfe grade sein" lässt, nicht mehr am Platze und ein Jeder, der glaubt zur Richtigstellung des Bildes etwas beitragen

zu können, hat die Pflicht es zu thun. Deshalb widerstehe auch ich dem Drange meiner innersten Ueberzeugungen nicht und spreche hier aus und werde zu beweisen suchen, dass der unsterbliche Dichter William Shakespeare auch ein guter und edler Mensch war, dass er als Mensch ebenso hoch dasteht wie als Dichter.

Wer etwa glaubt, es sei dies ein überflüssiges Unterfangen, der erkundige sich nach den landläufigen Ansichten über Shakespeare und er wird erstaunen über die Urtheile, die bei aller pflichtschuldigen Begeisterung eingestanden werden. Woher kommt es aber, dass der Ruf eines Mannes, der fast keine Kunde über sich zurückgelassen hat, so zweifelhaft geworden ist? Was hat die Vorstellung erzeugt, dass der mit dem Haupte in den Himmel ragende Dichter als Mensch mit den Füssen im tiefsten Erdenschlamme gesteckt haben soll? Ich glaube, die Neugier unserer Zeit hat hieran viel verschuldet. Naiven Genuss haben wir verlernt, und den Satz,, wo das Wissen aufhört, fängt der Glaube an", erträgt unser Stolz nicht mehr. Leider hört aber

bei Shakespeare das Wissen schon am Anfange auf: wir wissen über seine Persönlichkeit fast gar nichts! Statt uns nun an seinen Werken genügen zu lassen und aus ihnen den Glauben zu schöpfen, dass der Charakter eines Dichters, der so der Menschheit einen Spiegel vorhalten konnte, selbst gross und lauter gewesen sein musste, haben wir keine Ruhe gehabt, bis wir allerhand Dinge entdeckten, die geeignet waren, den unbegreiflich Hohen uns menschlich näher zu rücken. Diese fanden wir in

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den Sonetten Shakespeare's. Da lagen wahrhaftige Selbstbekenntnisse! Melancholische Betrachtungen, Klagen über verfehltes Leben und unglückliche Ehe, Bekenntnisse trüber Leidenschaften und schwerer Verirrungen, Reue, aber auch cynische Witzeleien über dieselben. Das Alles gerichtet an einen schönen Jüngling, den Freund und Genossen, vor dem der grosse Dichter im Staube liegt ja welche „klassische" Erinnerungen weckte nicht diese Männerfreundschaft in hellenisch gebildeten Geistern! Deutsch gesagt, da war nichts gemein genug, was man Shakespeare nicht zugetraut hätte. So kam es, dass der Genius, der vordem fast wesenlos über uns schwebte, nach und nach in einem so unsauberen Gewande unter uns trat, dass sich ängstliche Naturen vor seinem Umgange schier genirten. So sind die herrlichen Sonette Shakespeare's zum Fluche für ihn geworden! Das hat nun freilich endlich eine Rückfluth erzeugt; allein es scheint mir, dass man mit dem Bestreben, das Gefundene wieder in Nichts aufzulösen, ins andere Extrem verfällt. Es muss sich eine gesunde Mitte finden lassen und der Versuch dürfte gerechtfertigt sein, dem in die Frage nicht eingeweihten Leser durch Aufklärung über die Harmlosigkeit der Sonette den reinen Genuss derselben zu ermöglichen, ohne ihm die Persönlichkeit des Dichters wieder in unerreichbare Ferne zu entrücken. Ja, es ist vielleicht möglich, an der Hand der Sonette selbst ganz neue Standpunkte für die Betrachtung des Bildes von Shakespeare als Dichter und Mensch zu gewinnen.

Ich habe nun die Arbeit, die uns zu solchem Ziele führen soll, in drei Hauptabschnitte eingetheilt:

I. Shakespeare's Freundschaft zu Southampton.
II. Die schwarze Schöne der Sonette.

III. Shakespeare als Mensch.

Es

Die erste Abtheilung ist eigentlich nur eine Ergänzung meines Buches über die Southampton-Sonette,*) das die Geschichte von Southampton's Liebe und die Erklärung der ihr gewidmeten Sonette enthält. schien mir wünschenswerth, die Shakespeare-SouthamptonFreundschaft und was sich daran knüpft, neu zu beleuchten und zu begründen, da sie für die Beurtheilung von Shakespeare's Persönlichkeit von grösster Wichtigkeit ist. **)

Der Hauptabschnitt vorliegender Arbeit ist jedoch der zweite. Kann die berüchtigte schwarze Schöne der Sonette identifizirt werden, oder ist es wenigstens möglich zu beweisen, dass sich darunter keine Maitresse des Dichters verbirgt, so eröffnet sich eine ganze Reihe von neuen Perspektiven auf Shakespeare's Bild. Und wie sich dieses nun darstellt, das soll die dritte Abtheilung zeigen.

Einigermassen mühsame Untersuchungen werden auf diesem Gange hie und da nicht zu vermeiden sein; allein ich hoffe, dass die wirklichen Verehrer des grossen

*) Shakespeare's Southampton - Sonette. Deutsch. Leipzig, W. Engelmann. 1872.

**) Einen Auszug aus dieser ersten Abtheilung brachte „Nord und Süd" von Paul Lindau, Februar 1879.

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