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Entstehungsorte unseres englischen Spruchgedichtes, den wir auf Grund des Versbaus wohl im Norden oder nordwestlichen Mittellande zu suchen haben. Endlich wissen wir nicht einmal sicher, ob das Alphabetum Aristotelis des Augustiners Benedict überhaupt ein kurzes Spruchalphabet wie unser stabreimendes ABC war, oder ob nicht vielleicht eine alphabetisch geordnete Sammlung von Aristoteles-Exzerpten, wie sie im Mittelalter so ungemein beliebt waren, darunter zu verstehen ist. Also, Positives für die Verfasserfrage des ABC of Arystotle wird sich kaum aus Bales Mitteilung entnehmen lassen.

Dennoch erhalten wir ein nicht unwichtiges negatives Ergebnis. Auf Grund von Bales Eintrag verstehen wir jetzt leicht, wie der Schreiber von Harl. 1706 zu seiner Angabe über die Verfasserschaft des stabreimenden ABC of Arystotle gelangen konnte: offenbar meinte er mit seinem 'Mayster Benett' jenen Benedictus von Norwich, nicht aber den Magister Benedict Burgh. Und damit entfällt die einzigste Stütze, auf welche sich Burghs Verfasserschaft bisher irgendwie noch gründen liefs.

'So Verfasser im Archiv CV 304-306, dem Luick in Pauls Grundrifs II 2 (1905) 164 f. beistimmt.

Würzburg.

Max Förster.

Beurteilungen und kurze Anzeigen.

F. N. Finck, Die Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft. R. Haupt, Halle, 1905. VIII, 55 S.

Die Darstellung Fincks will eine gedrängte sein. Sie ist übersichtlich, trotz der Kürze stets klar, sehr anregend und stets von einem kräftigen Hauch der Persönlichkeit des Verfassers durchweht. Ich versuche, die Hauptgedanken aus der Fülle herauszuheben.

Die Notwendigkeit, die Aufgabe der Sprachwissenschaft ausdrücklich festzustellen, erhellt aus der Mehrdeutigkeit der beiden Bestandteile des Wortes Sprachwissenschaft. Zwei Bedeutungen des Wortes Sprache scheinen in Betracht zu kommen: 'Sprechen' und 'einheitliche Gesamtheit von Ausdrucksmitteln. Diese Gesamtheit', scheinbar unabhängig vom Sprechenden, ist die Erinnerung des Menschen an früheres Sprechen, mithin ebenso subjektiv wie das Sprechen. Während man nun das Vorübergehende des Sprechens kaum bezweifelt, herrscht zum Teil noch heute der Glaube an ein bleibendes, vom Bewusstsein des Menschen unabhängiges Dasein der mit der Sprechtätigkeit verbundenen Vorstellungen. Finck bekämpft diese Anschauung, welche auf falscher Erklärung des Erinnerungsvorgangs beruhe, und bietet für diesen eine andere Erklärungsmöglichkeit. (Jeder Eindruck auf das Gehirn trifft wohl 'mehr als einen einzigen Punkt, und wenn später einmal seine Nachbarschaft erregt wird, kann auch der dann nicht in erster Linie betroffene Punkt, der frühere Mittelpunkt des Reizes, in Mitleidenschaft gezogen werden'. An ein oder mehrere Elemente einer Sinneswahrnehmung könnten sich also andere, früher einmal mit diesen verbundene Elemente schliefsen. Der Eintritt einer sogenannten Erinnerungsvorstellung hängt ganz von äusseren Eindrücken ab; zwar 'ebnet jede Vorstellung einer ihr ähnlichen später eintretenden den Weg', 'mit deren Eintritt selbst aber hat sie nichts zu tun'.)

Mit den vom Bewusstsein unabhängigen, selbständigen Vorstellungen fällt die dem Menschengeist frei gegenüberstehende Sprache dahin. Ist auch unser Sprechen vom früheren Sprechen abhängig, so steht doch diese beständige Erinnerung nicht als etwas Objektives einer subjektiven Tätigkeit gleichberechtigt gegenüber, 'sondern beruht selbst auf einem Sprechen, woraus sich ergibt, dafs das eigentliche Objekt der Sprachwissenschaft nur das Sprechen ist'.

Das Sprechen stellt man zu den Ausdrucksbewegungen, da die durch koordinierte Muskel bewegung unter Leitung des Gehirns zustande kommenden Klänge etwas verstehbar zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zu den anderen Ausdrucksbewegungen findet beim Sprechen ein Eindruck nicht unmittelbaren Ausdruck, sondern es wird eine Masse von Empfindungen zunächst geistig erfafst, zusammengefasst, geformt und erst als geformte Einheit durch eine Kombination von Klängen und Geräuschen zum Ausdruck gebracht'. Das Wesen des Sprechens ist also 'ein wesentlich künstlerischer Akt'. Der Hauptgehalt des Sprechens bezieht sich auf etwas Objektives; aber die Vorstellungswelt des Sprechens ist meist Aus

druck des Gefühls (Sprechen als lyrische Kunst) oder (noch öfter) des Willens (Sprechen vergleichbar der Zweckliteratur).

Besteht nun die Wissenschaft dieses künstlerischen Ausdrucks in Schilderung der Sprache (wie dies bisher meist geschah, auch in der historischen und prähistorischen Grammatik)? Das ist nur Vorarbeit für die Wissenschaft, die erst bei der begrifflichen Verarbeitung anschaulicher Erkenntnis' beginnt. Die Aufgabe der Sprachwissenschaft, der man die Ausdrücke der Weltanschauung des grössten Teils des Volkes zur Bearbeitung überläfst (der Literaturwissenschaft die stark individuellen Ausdrücke), ist die Erklärung der besonderen Gestaltung der Rede jeder annähernd gleichmäfsig sprechenden Gemeinschaft aus deren geistiger Eigenart. Diese ist nur aus ihren Aufserungen zu erschliefsen, und das zu tun ist Aufgabe des beschreibenden Teils der Völkerkunde (die scharf von der Menschenkunde zu scheiden ist).

Die Sprache bringt einen Teil der geistigen Eigenart zum Ausdruck. 'Der Wortschatz gibt über den Vorstellungsreichtum Auskunft, die Etymologie über die Art der Vorstellungsbildung; die Etymologie und die Verwendung des Wortschatzes verraten die innere Form'; diese (die Art, 'wie jedes Volk die ihm gemeinsamen Vorstellungen bildet, Gesamtvorstellungen zerlegt, diese Bestandteile ordnet und verknüpft') ist die Weltanschauung, welche zusammen mit dem Vorstellungsreichtum einen wichtigen Bestandteil der geistigen Eigenart bildet. Die Feststellung der inneren Form und des Vorstellungsbestandes jedes Volkes ist ein Beitrag für die Völkerkunde zu weiterem Ausbau. Erst wenn dann auch die übrigen Teile der geistigen Eigenart erschlossen sind, kann die Sprachwissenschaft ihrem Endziel näher rücken: der Erklärung der Eigenart alles Sprechens aus geistiger Eigenart.

Der letzte Hauptteil des Buches beleuchtet die Schwierigkeiten der Methode und gibt Winke, zunächst für die beschreibende Darstellung. Er handelt von der Befreiung der Grammatik aus dem 'Gespinst der Logik' (wobei das Verhältnis von Wort und Begriff untersucht wird: durch ein Wort wird weitaus am häufigsten der unvorstellbare Begriff versinnlicht) und namentlich von der Notwendigkeit einer Klassifikation der Sprachen. Finck wendet sich vom sprachwissenschaftlichen Standpunkt aus gegen die genealogische Einteilung, denn es handle sich nicht darum, nach welchem Vorbilde zwei genealogisch verwandte Sprachen arbeiten, sondern um Feststellung der Übereinstimmungen und Abweichungen. Die Erinnerung an früheres Sprechen (die bei der Erklärung groise Bedeutung erlangen kann) ist immer nur einer der verschiedenen Einflüsse, die auf die jeweilige Tätigkeit des Sprechens einwirken', und braucht nicht der stärkste zu sein. Auch die Einteilung nach der Formfähigkeit soll zurückstehen hinter der morphologischen (nach der Art des Zerlegens, wodurch sich der Grad der Reizbarkeit kundgibt). Hier wird gruppiert nach dem, was entschieden am wichtigsten für das ist, woraus jede Sprache erklärt werden soll'.

Für die erklärende Darstellung bleibt nichts anderes übrig, als festzustellen, ob und wie weit bestimmte sprachliche Eigentümlichkeiten mit wirtschaftlichen, geographischen und anderen Verhältnissen Hand in Hand gehen'. Von besonderer Bedeutung ist die Veränderungsrichtung.

Eingestreut in diesen Gedankengang finden wir u. a. eine Rechtfertigung des Ausdrucks Verwendung des Wortschatzes. Hier wird zur Abwehr der 'Mode', den Satz als das allein Wirkliche hinzustellen, der Vorgang normaler Rede in Erinnerung gebracht: Zerlegen und Verbinden (während nirgends völlig ungegliederte Sätze alleinherrschend sind und nur aus Verbinden bestehende Rede noch seltener ist). Es schliefsen sich daran zwei sehr beachtenswerte Abschnitte über Wort, Satz und Satz

teil, Satzelement (S. 29 ff.), sowie über Scheidung der Satzelemente in Grund-, Art-, Bestimmungs- und Beziehungselemente (S. 32 f.).

Das Problem des Ursprungs der Sprache (= erste Ausübung der Sprechtätigkeit durch Menschen) wird der Entwicklungsgeschichte des Menschen, das der Sprachwürdigung der Völkerkunde zugewiesen.

Johannisthal bei Berlin.

Paul Lucht.

K. Euling, Das Priamel bis Hans Rosenplüt. Studien zur Volkspoesic. (Vogts Germanistische Abhandlungen 25.) Breslau, Marcus, 1905. VIII und 583 S. 12 M.

Die literarische Gattung des Priamels (dieser richtigeren Form werden wir uns mit dem Verfasser statt des allgemein gebräuchlichen Femininums nun wieder bedienen lernen müssen) barg trotz Herders scheinbar abschliefsender, zu ähnlichen Kunstformen der klassischen Literaturen, wie man sie auch das ganze 19. Jahrhundert hindurch auffafste, so vortrefflich passender Erklärung noch eine Fülle historischer Probleme. Durch Uhls 1897 aufgestellte und nicht ohne Geist verteidigte Theorie, die das Priamel aus akademischen Gebräuchen des humanistischen Zeitalters ableiten wollte, war die Frage gründlich in eine Sackgasse hineingefahren worden, zumal er zugleich auch, die technische Form dieser Gattung arg verkennend, sie mit einfachen Urformen poetischer Technik (Anapher, Wiederholung, Häufung, Klimax. Parallelismus) schlechtweg identifizierte und mit seiner massenhaft herbeigeschleppten ausländischen Spruchweisheit 'vergleichende' Literaturgeschichte im übelsten, weil gänzlich unwissenschaftlichen Sinne trieb. Schon in seiner Erstlingsarbeit (1887) hatte Euling die Priameln zum Gegenstand seiner Forschung gemacht, und seine seitherigen Arbeiten über Kaufringer und Kistener bewegten sich zeitlich und inhaltlich in der literarischen Sphäre, die auch das Priamel zur Blüte gebracht hat. Durch das vorliegende, ausgezeichnete und_bedeutende Werk dürfte das Problem des Priamels, insbesondere seiner Entstehung, Benennung und frühesten Geschichte, wohl so endgültig erledigt sein, wie wir überhaupt literargeschichtliche Probleme für diese älteren Jahrhunderte zu erledigen vermögen; an den hier gezogenen Grundlinien wird nichts Wesentliches verändert werden können. Zur Lösung der äusserst schwierigen und verwickelten Aufgabe steht dem Verfasser nicht nur ein nüchterner, durch keine vorgefassten Meinungen getrübter Scharfsinn zu Gebote, sondern auch eine wahrhaft staunenswerte und durchaus nicht unkritische Belesenheit auf den so verschiedenartigen Gebieten der Literaturgeschichte, der Volkskunde, der Ästhetik, der Musikgeschichte und anderer verwandter Disziplinen, die der Einzeluntersuchung überall aufs fruchtbarste zugute kommt.

Das erste Kapitel über den Begriff des Priamels beginnt mit einer Kritik der seit Herder aufgestellten Definitionen und gelangt (S. 15) zu einer eigenen neuen: das Priamel ist ‘eine im 15. Jahrhundert selbständige Gattung ursprünglich epigrammatischer Improvisation, die eine Reihe paralleler Einzelheiten in bestimmten Formen mit künstlerischer Absicht zu einer inneren Einheit zu verbinden sucht.' Vermöge dieser Definition wird es möglich, das Priamel logisch und historisch gegen eine Reihe anderer kleinerer Dichtungsgattungen (z. B. Gnome, Spottlied, Leberreim, Quodlibet, Rätsel, Epigramm, Madrigal) schärfer abzugrenzen, die vielfach damit zusammengeworfen worden sind. Die Unterschiede von diesen mehr oder weniger verwandten Gattungen werden im einzelnen dargelegt. Das zweite Kapitel analysiert den Namen des Priamels und zeigt in überzeugender Weise, dafs er weder von dem 'präambulierenden' Eingang entnommen ist noch, wie auch behauptet worden ist, der Technik der Predigt oder der Nomenklatur des Fechtbodens entstammt, sondern

ein musikalischer Terminus war, der das freie und improvisierte Präludieren auf der Laute bezeichnete. Wahrscheinlich hat Rosenplüt selbst, der Klassiker der Gattung, die Übertragung des musikalischen Ausdrucks auf das dichterische Gebiet vorgenommen. Während alle anderen Bedeutungen des Wortes, die man annahm, gar nicht oder doch nur sehr spärlich belegt sind, liegt für die musikalische eine so grofse Zahl von Belegen vor, dafs wir ohne jeden Zweifel an sie anzuknüpfen haben. Dafs dieser Tatbestand so lange auch den gelehrtesten Augen verborgen bleiben konnte, zeigt die bedauernswerte Einseitigkeit, in der sich die Philologie leider so vielfach gegen ihre Schwesterwissenschaften abschliefst. Das dritte Kapitel mustert die Überlieferung des Priamels, zunächst die schriftliche, wobei des Verfassers eigene frühere Darstellung vielfach ergänzt wird (besonders sei auf die Priamelrede' einer Donaueschinger Handschrift hingewiesen), dann die mündliche. Das vierte Kapitel, 'Weltliteratur und Priamel', richtet sich gegen das massenhafte und meist kritiklose Vergleichen des deutschen Priamels mit ausländischen Erzeugnissen einer volkstümlichen, anaphorisch - epigrammatischen Gnomik, wie es besonders Bergmann und Uhl geübt haben. Da den anklingenden indischen, biblischen, lateinischen, finnischen, romanischen Produkten durchweg das eigentlich Charakteristische des deutschen Priamels fehlt, So sind diese Vergleichungen literarhistorisch wertlos und unfruchtbar. Auch die Existenz eines alten gemein germanischen Priamels als Gattung lehnt der Verfasser mit guten Gründen ab. Das fünfte Kapitel behandelt die Theorien zur Entstehung und Vorgeschichte des Priamels: hier bewegen wir uns auf einem unsicheren Boden, wie der Verfasser auch selbst zugibt. Die stilistische Figur der Häufung, die man wohl als Quelle des Priamels angesehen hat, scheint doch, weil in Entwicklung und Charakter zu vieldeutig, nicht ohne weiteres zu genügen; anderseits mangelt vielen angelsächsischen und altnordischen Beispielen, die man als Priameln bezeichnet hat, wiederum das eigentlich Charakteristische der deutschen Gattung. Erst eine Betrachtung der Improvisation führt dem primitiv-volkstümlichen Priamel näher.

Das sechste Kapitel gilt dem Priamel vierzeiler. Der Vierzeiler ist die einfachste Form der Improvisationsdichtung und als solche auch der Ausgangspunkt des Priamels. In die theoretische Ableitung der Vierzeiler und Viertakter, die im Anschlufs an Bücher gegeben wird, folgen wir hier dem Verfasser nicht. Indem er drei verschiedene Typen des Priamelvierzeilers aufstellt und ihre volkstümliche Verwendung zeigt, betritt er wieder konkreteren Boden. Er sieht (S. 209) das Priamel in der Mitte zwischen den Erzeugnissen des völlig automatischen psychologischen Mechanismus und der Kunstpoesie des schönen Gedankens.' Steigende Gedankenbewegung ergibt den Typus des synthetischen Priamels (A) und der Klimax (B), fallende den des analytischen (C): bei jenen steht Herders 'Aufschlufs' am Ende, bei diesem am Anfang. Etwas gezwungen erscheint mir der zwischen A und B statuierte Unterschied: der Verfasser selbst findet, dass sie 'im Grunde identisch' (S. 209) und 'oft schwer zu scheiden' (S. 233) sind; es ist schwer einzusehen, was mit dieser sehr heikeln und subjektiv oft sehr verschieden beurteilbaren Unterscheidung gewonnen sein soll. Synthetischer und analytischer Typus allein sind hinreichend zur Einteilung aller Priameln. Gegen die nun folgende Geschichte des Priamelvierzeilers in der Literatur des 12.-16. Jahrhunderts habe ich, was die älteren Perioden betrifft, mancherlei einzuwenden: es scheint mir, als wenn der Verfasser trotz aller von ihm selbst betonten verklausulierenden Vorsicht (S. 284) hier manches als Priamel mitgehen liefse, was keine solche ist, als wenn er selbst hier zuweilen in die fehlerhafte Betrachtungsweise verfiele, stilistische Formen mit dem Priamel zu freigebig zu identifizieren, obwohl sie 'den Stempel des Individuellen, nicht des Ge

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