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5. Von den nothwendigen Fehlern.

5.-296

6. Ueber eine Stelle aus Winkelmanns Geschichte, den

Zenodorus betreffend,

7. Ueber einige Stellen aus den Montfaucon.

8, Ueber eine Stelle aus dem Potter.

298

302

1.305

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308

9. Von dem perspectivischen Gleichnisse des Homers 307 10. Einzelne Gedanken zur Fortseßung des Laoloons. 11. Ueber Gerards Meynung, daß die Mahleren auch das Erhabene ausdrücken könne, welches mit der Größe der Dimensionen verbunden ist.

310 12. Einige Bemerkungen aus den Obfervations fur l'Italie Tom. II, und Richardson's. Traité de la peinture T. I.

311

1.

I.

as allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke in der Mahlerey und Bildhauerkunft, feket Herr Winkelmann in eine edele Einfalt und ftille Gröffe, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke., So wie die „Tiefe des Meeres; sagt er*), allezeit ruhig bleibt, die „Oberfläche mag ́auch noch so wüthen, eben so zeiget der Ausdruck in den Figuren der Griechen bey allen Leiden„schaften eine große und gefeßte Seele, "

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,,Diese. Seele schildert sich in dem Gesichte des Laos ,,koons, und nicht in dem Gesichte allein, bey dem hefs tigsten Leiden. ›› Der Schmerz, welcher sich in allen ,, Muskeln und Sehuen des Körpers entdecker, und den ,, man ganz allein, ohne das Gesicht und andere Theile ,, zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen Unterlei be beinahe selbst zu empfinden glaubt; dieser Schmerz, sage ich, auffert sich dennoch mit keiner Wuth in dem ,, Gesichte und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein

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* Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Mahleren und Bildhauerkunst. S. 21, 22.

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„schreckliches Geschrey, wie Virgil von seinem Laokoon ,, finget; die Oeffnung des Mundes gestattet es nicht: es ,, ist vielmehr ein ångftliches und beklemmtes Seufzen, wie ,,es Sadolet beschreibet. Der Schmerz des Körpers und ,,die Gröffe der Seele find durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher Stärke ausgetheilet, und gleichsam ,, abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet, wie des ,,Sophokles Philoktet: fein Elend gehet uns bis an die ,,Seele; aber wir wünschten, wie dieser große Mann ,, das Elend ertragen zu können."

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,,Der Ausdruck einer so großen Seele geht weit über ,, die Bildung der schönen Natur. Der Künstler mußte ,, die Stärke, des Geistes in sich selbst fühlen, welche er ,, seinem Marmor einprägte. Griechenland hatte Künstler ,, und Weltweise in einer Person, und mehr als einen ,, Metrobor. Die Weisheit reichte der Kunft die Hand, ,, und blies den Figuren derselben mehr als gemeine See „len ein, u. s. w.”

Die Bemerkung, welche hier zum Grunde liegt, daß der Schmerz sich in dem Gesichte des Laokoon mit derje= nigen Wuth nicht zeige, welche man bey der Heftigkeit desselben vermuthen sollte, ist vollkommen richtig. Auch das ist unstreitig, daß eben hierin, wo ein Halbkenner den Künstler unter der Natur geblieben zu seyn, das wahre Pathetische des Schmerzes nicht erreicht zu haben, urtheilen dürfté; daß, sage ich, eben hierin die Weisheit deffelben ganz besonders hervorleuchtet.

Nur in dem Grunde, welchen Herr Winkelmann

dieser Weisheit giebt, in der Allgemeinheit der Regel, bie er aus diesem Grunde herleitet, wage ich es, anderer Meynung zu seyn.

Ich bekenne, daß der mißbilligende Seitenblick, welchen er auf den Virgil wirft, mich zuerst flußig gemacht hat; und nächst dem die Vergleichung mit dem Philottet. Von hier will ich ausgehen, und meine Gedanken in eben der Ordnung niederschreiben, in welcher sie sich bey mir entwickelt.

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(,, Laokoon leidet, wie des Sophokles Philoktet." Wie leidet dieser? Es ist sonderbar, daß sein Leiden so verschiedene Eindrücke bey uns zurückgelaffen. Die Klagen, das Geschrey, die wilden Verwünschungen, mit welz chen sein Schmerz das Lager erfüllte, und alle Opfer, alle heilige Handlungen störte, erscholl`nicht minder schrecklich durch das dde Eiland, und sie waren es, die ihn dahin verbannten, Welche Töne des Unmuths, des Jammers, der Verzweiflung, von welchen auch der Dichter in der Nachahmung das Theater durchhallen ließ. — Man hat den dritten Aufzug dieses Stücks ungleich kürzer, als die übrigen gefunden. Hieraus sieht man, sagen die Kunstrichter *), daß es den Alten um die gleiche Länge der Aufzüge wenig zu thun gewesen. Das glaube ich auch; aber ich wollte mich desfalls lieber auf ein ander Erempel gründen, als auf dieses. Die jammervollen Ausrufungen, das Winseln, die abgebrochenen,, qv, aτarta, μoi, pos! die ganzen Zeilen voller wana, waxa'; aus welchen die

Brumoy Theat. des Grecs T. II, p. 89.

ser Aufzug bestehet, und die mit ganz andern Dehnungen und Absetzungen deklamirt werden mußten, als bei einer zusammenhängenden Rede nöthig sind, haben in der Vors stellung diesen Aufzug ohne Zweifel ziemlich eben so lan= ge dauern lasser, als die andern. Er scheinet dem Lefer weit kürzer auf dem Papiere, als er den Zuhörern wird vorgekommen seyn.

Schreyen ist der natürliche Ausdruck des körperlichen Schmerzes. Homèrs verwundete Krieger fallen nicht selten mit Geschreÿ zu Boden. Die gerißte Venus schreyet laut*); nicht um sie durch dieses Geschrey als die weichliche Göttin der Wolluft zu schildern, vielmehr um der. leidenden Natur ihr Recht zu geben. Denn selbst der eherne Mars, als er die Lanze des Diomedes fühlet, schreyet so gråßlich, als schrieen zehntausend wüthende Krieger zugleich, daß beyde Heere sich entseßen **).

So weit auch Homer sonst seine Helden über die menschliche Natur erhebt, so treu bleiben sie ihr doch stets, wenn es auf das Gefühl der Schmerzen und Beleidigun= gen, wenn es auf die Aeufferung dieses Gefühls durch Schreyen, oder durch Thränen, oder durch Scheltworte ankömmt. Nach ihren Thaten sind es Geschöpfe höherer Art; nach ihren Empfindungen wahre Menschen.

Ich weiß es, wir feinern Europåer einer klügern Nachwelt, wissen über unsern Mund und über unsere Augen besser zu herrschen. Höflichkeit und Anstand verbieten *) Iliad. E. v. 343. H de μeya iaxso*

**) Iliad, E, v. 859.

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