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Jammer ward in Betrübniß gemildert. Und wo diese. Milderung nicht statt finden konnte, wo der Jammer eben so verkleinernd als entstellend gewesen wåre, was that

fonst, fragt Spence, als Furien, hätte einer solchen
"Handlung beywohnen wollen? Ich antworte: Die Mags
de der Althda, welche das Feuer anzünden und uns
terhalten mußten. Ovid sagt: (Metamorph. VIII.
v. 460. 461.)

Protulit hunc (ftipitem ) genitrix, taedasque in
fragmina poni

Imperat, et pofitis inimicos admovet ignes.
Dergleichen taedas, lange Stücke von Kien, welche die
Alten zu Fackeln brauchten, haben auch wirklich Bende
Personen in den Hånden, und die eine hat eben ein sols
ches Stück zerbrochen, wie ihre Stellung anzeigt. Auf.
der Scheibe, gegen die Mitte des Werks, erkenne ich
die Furie eben so wenig. Es ist ein Gesicht, welches eis
nen heftigen Schmerz ausdrückt. Ohne Zweifel soll es
ber Kopf des Meleagers selbst seyn. (Metamorph. I.
v. 515)

Infcius atque abfens flamma Meleagros in illa
Uritur: et caecis torreri vifcera fentit

Ignibus et magnos fuperat virtute dolores.
Der Künstler brauchte ihn gleichsam zum Uebergange in
den folgenden Zeitpunkt der nehmlichen Geschichte, wels
cher den sterbenden Meleager gleich daneben zeigt.
Was Spence zu Furien macht, hält Montfaucon für Par
Ben, Antiq. (expl. T I. p. 162.) den Kopf auf der
Scheibe ausgenommen, den er gleichfalls für eine Furie
ausgiebt. Bellori selbst (Admirand. Tab. 77.) läßt es
unentschieden, ob es Parzen oder Furien sind. Ein Öder,
welches genugsam zeiget, daß sie weder das eine noch
das andere sind. Auch Montfaucons übrige Auslegung
follte genauer fenn. Die Weibsperson, welche neben
dem Bette sich auf den Ellbogen stüßet, hätte er Cai,
sandra und nicht Atalanta nennen sollen., Atalanta ist
die, welche mit dem Rücken gegen das Bette gefehret,

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da Thimanthes? Sein Gemåhlde von der Opferung der Iphigenia, in welchem er allen Umstehenden den ihnen eigenthümlich zukommenden Grad der Traurigkeit ertheilte, das Gesicht des Vaters aber, welches den allerhöchsten hårte zeigen sollen, verhüllete, ist bekannt, und es find viel artige Dinge darüber gesagt worden. Er hatte sich, sagt dieser *), in den traurigen Physiognomien so erschöpft, daß er dem Vater eine noch traurigeré geben zu können vere zweifelte. Er bekannte dadurch, sagt jener **), daß der Schmerz eines Vaters bey dergleichen Vorfällen über allen Ausdruck sey. Ich für mein Theil sehe hier weder die Unvermögenheit des Künstlers, noch die Unvermögenheit der Kunst. Mit dem Grabe des Affects verstår ken sich auch die ihm entsprechenden Züge des Ges sichts; der höchste Grad hat die allerentschiedensten Züge, und nichts ist der Küust leichter, als diese auszudrůkken. Aber Timanthes kannte die Grenzen, welche die Grazien seiner Kunst sehen. Er wußte, daß sich der Jame

in einer traurigen Stellung siset. Der Künstler hat fie mit vielem Verftande von der Familie abgewendet, weil fie nur die Geliebte, nicht die Gemahlin des Meleagers war, und ihre Betrübniß über ein Unglück, daß sie selbst unschuldiger Weise veranlasset hatte, die Anverwandten erbittern mußte.

* Plinius lib. XXXV. Sect. 35. Cum moeftos pinxisset omnes, praecipue patruum,et tristitiae omnem imaginem confumpfiflet, patris ipfius valtum rela vit, quem digne non poterat oftendere.

** Summi moeroris acerbitatem arte exprimi non posse confeffus eft. Valerius Maximus lib. VIII. cap. LI.

Jammer, welcher dem Agamemnon als Vater zułam, durch Verzerrungen äußert, die allezeit häßlich sind. So weit sich Schönheit und Würde mit dem Ausdruce vers binden ließ, so weit trieb er ihn. Das Häßliche wåre er gern übergangen, håtte er gern gelindert; aber da ihm feine Composition heydes nicht erlaubte, was blieb ihm anders übrig, als es zu verhüllen? Was er nicht mahlen durfte, ließ er errathen. Kurz, diese Verhüllung ist ein Opfer, das der Künstler der Schönheit brachte. Sie ist ein Beyspiel, nicht, wie man den Ausdruck über die Schranken der Kunst treiben, sondern, wie man ihn dem ersten Gesetze der Kunst, dem Geseße der Schönheit, unterwerfen soll.

Und dieses nun auf den Laokoon angewendet, so ist die Ursache klar, die ich suche. Der Meister arbeitete auf die höchste Schönheit, unter den angenommenen Umståns den des körperlichen Schmerzes. Dieser, in aller seiner entstellenden Heftigkeit, war mit jener nicht zu verbinden. Er mußte ihn also herabseßen; er mußte Schreyen in Seuf. zen mildern; nicht, weil das Schreyen eine unedle Seele verräth, sondern, weil es das Gesicht auf eine ekelhafte Weise verstellet. Denn man reiße dem Laokoon in Gedanken nur den Mund auf, und urtheile. Man laffe ihn schreyen, und sehe, Es war eine Bildung, die Mitleid einflaßte, weil sie Schönheit und Schmerz zugleich zeigte; nun ist es eine håßliche, eine abscheuliche Bildung gewors den, von der man gern sein Gesicht wegwendet, weil der Anblick des Schmerzes Unlust erregt, ohne, daß die Schen

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heit des leidenden Gegenstandes diese Unlust in das süße Gefühl des Mitleids verwandeln kann.

Die bloße weite Oeffnung des Mundes, bei Seite geseht, wie gewaltsam und ekel auch die übrigen Theile des Gesichts dadurch verzerrt und verschoben werden, ist in der Mahlerey ein Fleck und in der Bildhauerey eine Vertiefung, welche die widrigste Wirkung von der Welt thut. Montfaucon bewies wenig Geschmack, als er eineu alten bårtigen Köpf, mit aufgerissenem Munde, für einen Orakel ertheilenden Jupiter ausgab *). Muß ein Gott schreyen, wenn er die Zukunft eröffnet? Würde ein gefäl= liger Umriß des Mundes seine Rede verdächtig machen? Auch glaube ich ës dem Valerius nicht, daß Ajar in dem nur gedachten Gemåhlde des Timanthes sollte geschrieen haben **). Weit schlechtere Meister aus den Zeiten der schon verfallenen Kurst, lassen auch nicht einmal die wildesten Barbaren, wenn sie unter dem Schwerte des Sies gers Schrecken und Todesangst ergreift, den Mund bis zum Schreyen öffnen ***).

*) Antiquit. expl. T. I. p. 50.

**) Er giebt nehmlich die von dem Timanthes wirklich auss gedrückten Grade der Traurigkeit so an: Calchantem tristem, moeftum Ulyffem, clamantem Ajacem, lamentantem Menelaum. Der Schreyer Ajar müßte eine häßliché Figur gewesen seyn; und da weder Cicero noch Quintilian in ihren Beschreibungen dieses Gemähldes seiner gedenken, so werde ich ihn um so viel eher für einen Zusaß halten dürfen, mit dem es Valerius aus seinem Kopfe hat bereichern wollen.

***) Rellorii Admiranda. Tab. II, 12,

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Es ist gewiß, daß diese Herabsetzung des äußersten körperlichen Schmerzes auf einen niedrigern Grad von Gefühl, an mehreren alten Kunstwerken sichtbar gewesen ist. Der leidende Herkules in dem vergifteren Gerance, von der Hand eines alten unbekannten Meisters, war nicht der Sophokleische, der so gråßlich schrie, daß die Lokrischen Felsen, und die Eubdischen Vorgebirge davon ertönten, Er war mehr finster, als wild *). Der Philoktet des Pythagoras Leontinus schien dem Betrachter seinen Schmerz mitzutheilen, welche Wirkung der geringste gråßliche Zug verhindert hätte. Man dürfte fragen, woher ich wisse, daß diefer Meister eine Bildsäule des Philoktet gemacht habe? Aus einer Stelle des Plinius, die meine Verbesses rung nicht erwartet haben sollte, so offenbar verfälscht øder verstümmelt ist sie **),

Plinius libr. XXXIV. fect. 19.

**) Eundem, nehmlich den Myro, lieset man ben dem Pliz nius (lib. XXXIV. fect. 19.) vicit et Pythagoras Leontinus, qui fecit ftadiodromon Aftylon, qui Olympiae oftenditur: et Libyn puerum tenentem tabulam, eodem loco, et mala ferentem nudum. Syracufis autem claudicantem: cujus hulceris dolorem fentire etiam fpectantes videntur. Man erwäge die leßten Worte etwas genauer. Wird nicht darin offenbar von einer Person gesprochen, die wegen eines schmerzhaften Ge schwüres überall bekannt ist? Cujus hulceris u. f. m. Und dieses cujus follte auf das bloße claudicautem, und das claudicantem vielleicht auf das noch entferns tere puerum gehen? Niemand hatte mehr Recht, we gen eines solchen - Geschwüres bekannter zu seyn, als

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