wohl, wie seine vor sich selbst arbeitende Phantasie ihú auf diesen und jehen Zug bringen können; aber die Ursa= chen, warum seine Beurtheilungskraft schöne Züge, die er vor Augen gehabt, in diese andere Züge verwandeln zu müssen glaubte, diese wollen mir nirgends einleuchten. Mich binkt sogar, wenn Virgil die Gruppe zu seinem At ferpens lapfu crebro redeunte fubintrat 1 1 in einen Knoten, gleichsam nur errathen zu lassen. Sie würde sein Auge zu lebhaft gerührt haben, er würde eine zu treffliche Wirkung von ihr empfunden haben, als daß sie nicht auch in seiner Beschreibung mehr vorstechen solle te. Ich habe gesagt: es war jezt die Zeit nicht, diese Verstrickung auszumahlen. Nein; aber ein einziges Wort mehr, würde ihr in dem Schatten, worin fie der Dichter laffen mußte, einen sehr entscheidenden Druck vielleicht ges Alter adhuc nullo violatus corpore morfu, Clara Rhodos, veftrae jacuerunt artis honores Quam faftus et opes et inanem extende re luxum, geben haben. Was der Artist, ohne dieses Wort entdef fen konnte, würde der Dichter, wenn er es bey den Artisten gesehen håtte, nicht ohne daffelbe gelaffen haben. Der Artist hatte die dringendßten Ursachen, das Leiden des Laokoon nicht in Geschrey ausbrechen zu lassen. Wenn aber der Dichter die so rührende Verbindung von Schmerz und Schönheit in dem Kunstwerke vor sich gehabt hätte, was hätte ihn eben so unvermeidlich nöthigen können, die Idee von männlichem Anstande und großmüthiger Geduld, welche aus dieser Verbindung des Schmerzes und der Schönheit entspringt, so völlig unangedeutet zu lassen, und uns auf einmal mit dem gråßlichen Geschrey seines Laokoons zu schrecken? Richardson fagt: Virgils Laokoon muß schreyen, weil der Dichter nicht sowohl Mitleid für ihu, als Schref= ken und Entsetzen bey den Trojanern erregen will. Ich will es zugeben, obgleich Richardson nicht erwogen zu haben scheint, daß der Dichter die Beschreibung nicht in seiner eignen Person macht, sondern sie den Aeneas mas chen läßt, und gegen die Dido machen läßt, deren Mitleid Aeneas nicht genug bestürmen könnte. Allein mich befremdet nicht das Geschrey, sondern der Mangel aller Gras dation bis zu diesem Geschrey, auf welche das Kunstwerk den Dichter natürlicher Weise håtte bringen müssen, wann er es, wie wir voraussetzen, zu seinem Vorbilde gehabt hat= te. Richardson fügt hinzu*): die Geschichte des Laokoon *) De la Peinture, Tome III. p. 516. C'est l'horreur que les Troiens ont conçue contre Laocoon, qui etoit neceffaire à Virgile pour la conduite de fon Poeme; et cela le mène à cette Defeription pathéti folle bloß zu der pathetischen Beschreibung der endlichen Zerstörung leiten; der Dichter habe sie also nicht interessanter machen dürfen, um unsere Aufmerksamkeit, welche diese legte schreckliche Nacht ganz fordere, durch das Unglück eines einzelnen Bürgers nicht zu zerstreuen. Allein das heißt die Sache aus einem mahlerischen Augenpunkte bes trachten wollen, aus welchem sie gar nicht betrachtet were den kann. Das Unglück des Laokoon und die Zerstörung find bey dem Dichter keine Gemåhlde neben einander; und nur in diesem Falle måre es zu besorgen, daß unsre Blicke mehr auf den Laokoon, als auf die brennende Stadt fallen dürften. Beyder Beschreibungen folgen auf einander, und ich sehe nicht, welchen Nachtheil es der folgenden bringen könnte, wenn uns die vorhergehende auch noch so sehr gez rührt hätte. Es sey denn, daß die folgende an sich selbst nicht rührend genug wåre. Noch weniger Ursache würde der Dichter gehabt haben, die Windungen der Schlangen zu verändern. Sie bez schäftigen in dem Kunstwerke die Hånde, und verstricken. die Füße. So sehr dem Auge diese Vertheilung gefällt, se lebhaft ist das Bild, welches in der Einbildung davon zurück bleibt. Es ist so deutlich und rein, daß es sich durch - Worte nicht viel schwächer darstellen läßt, als durch nas türliche Zeichen. que de la deftruction de la patrie de fon Héros. Aussi Virgile n'avoit garde de divifer l'attention fur la derniere nuit, pour une grande ville entière, peinture d'un petit malheur d'un Particulier, par Laocoonta petit, totumque infraque supraque At serpens lapsu crebro redeunte subintrat Lubricus, intortoque ligat genua infima nodo. Das find Zeilen des Sadolet, die von dem Virgil ohne Zweifel noch mahlerischer gekommen wåren, wenn ein sichtbares Vorbild seine Phantasie befeuert hätte, und die alsdann gewiß besser gewesen wären, als was er uns jezt dafür giebt: Bis medium amplexi, bis collo squamea circum Terga dati, superant capite et cervicibus altis. Diese Züge füllen unsere Einbildungskraft allerdings; aber sie muß nicht dabey verweilen, sie muß sie nicht aufs reine zu bringen suchen, fie muß jeßt nur die Schlangen, jetzt nur den Laokoon sehen, sie muß sich nicht vorstellen wollen, welche Figur beyde zusammen machen. Sobald fïè hierauf verfällt, fångt ihr das Virgilische Bild an zu mißfallen, und sie findet es höchst unimahlerisch. Wåren aber auch schon die Veränderungen, welche Virgil mit dem ihm geliehenen Vorbilde gemacht hätte, nicht unglücklich, so wåren sie doch bloß willkührlich. Man ahmt nach, um ähnlich zu werden; kann man aber åhnlich werden, wenn man über die Noth verändert ? Vielmehr wenn man dieses thut, ist der Vorsatz klar, daß man nicht ähnlich werden wollen, daß man also nicht nachgeahmt habe, Nicht |