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Geschren und Thränen. Die thätige Tapferkeit des ersten rauhen Weltalters hat sich bey uns in eine leidende verwandelt. Doch selbst unsere Ureltern waren in dieser grdfer, als in jener. Aber unsere Ureltern waren Barbaren. Alle Schmerzen verbeissen, dem Streiche des Todes mit unverwandtem Augen entgegen sehen, unter den Bissen der Nattern lachend sterben, weder seine Sünde noch den Verlust seines liebsten Freundes beweinen, sind Züge des alten Nordischen Heldenmuths*). Palnatoko gab seinen Jomsburgern das Gesez, nichts zu fürchten, und das Wort Furcht auch nicht einmal zu nennen.

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Nicht so der Grieche! Er fühlte und furchte sich; er ́ aufferte seine Schmerzen und seinen Kummer; er schämte sich keiner der menschlichen Schwachheiten; keine mußte ihn aber auf dem Wege nach Ehre, und von Erfüllung seiner Pflicht zurückhalten. Was bey dem Barbaren aus Wildheit und Verhärtung entsprang, das wirkten bey ihm, Grundsätze. Bey ihm war der Heroismus wie die vers borgenen Funken im Kiefel, die ruhig schlafen, so lange keine auffere Gewalt sie wecket, und dem Steine weder seine Klarheit noch seine Kälte wehmen. Bey dem Barbaren war der Heroismus eine helle fressende Flamme, die immer tobte, und jede andere gute Eigenschaft in ihm verzehrte, wenigstens schwärzte. — Wenn Homer die Trojaner mit wildem Geschrey, die Griechen hingegen in entschloßner Stille zur Schlacht führet, so merken

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*) Th. Bartholinus de causis contemptae a Danis adhuc gentilibus mortis, cap. I.

die Ausleger sehr wohl an, daß der Dichter hierdurch jene als Barbaren, diese als gesittete Völker schile dern wollen. Mich wundert, daß fie an einer andern Stelle eine ähnliche charakteristische Entgegensetzung nicht bemerkt haben *). Die feindlichen Heere haben einen Wafz fenstillestand getroffen; sie sind mit Verbrennung ihrer Todø - ten beschäftiget, welches auf beiden Theilen nicht ohre hciffe Thränen abgehet; daneva Digua Xeorres. Aber Prias mus verbietet seinen Trojanern zu weinen; de xIVELY Пgiamos μeyas. Er verbietet ihnen zu weinen, sagt die Das cier, weil er besorgt, sie möchten sich zu sehr erweichen, und morgen mit weniger Muth an den Streit geben. Wohl; doch frage ich: warum muß nur Priamus dieses besorgen? Warum ertheilt nicht auch Agamemnon feinen Griechen das nehnliche Verboth? Der Sinn des Dichters gehet tiefer. Er will uns lehren, daß nur der gefittete Grieche zugleich weinen und tapfer seyn könne; indem der unge=" fittete Trojaner, um es zu seyn, alle Menschlichkeit vorher erftiden miffe. Νεμεσσομαι γε μεν ἐδεν κλαγείν, Ιάβt er an einem andern Orte**) den verständigen Sohn des weisen Nestors sagen.

Es ist merkwürdig, daß unter den wenigen Trauers spielen, die aus dem Alterthüme auf uns gekommen sind, sich zwei Stücke finden, in welchen der körperliche Schmerz nicht der kleinste Theil des Unglücks ist, das den leidenden Helden trifft. Auffer dem Philoftet, der sterbende Her

*) Iliad. H. v. 421.

** Odyss. A. 195.

kules. Und auch diesen läßt Sophokles klagen, winseln, weinen und schreien. Dank sey unfern artigen Nachbarn, diesen Meistern des Anståndigen, daß nunmehr ein winselnder Philoktet, ein schreiender Herkules, die lächerlichsten unerträglichsten Personen auf der Bühne seyn würden. Zwar hat sich einer ihrer neusten Dichter*) an den Philoktet gewagt. Aber durfte er es wagen, ihnen den wahren Philoktet zu zeigen?

Selbst ein Laokoon findet sich unter den verlornen Stücken des Sophokles. Wenn uns das Schicksal doch auch diesen Laskoon gegönnet hätte! Aus den leichten Erwähnungen, die seiner einige alte Grammatiker thun, läßt sich nicht schließen, wie der Dichter diesen Stoff behandelt habe. So viel bin ich versichert, daß er den Laokoon nicht stoischer als den Philoktet und Herkules, wird ges schildert haben. Alles Stoische ist untheatralisch; und un=' fer Mitleiden ist allezeit dem Leiden gleichmäßig, welches der intereffirende Gegenstand äussert, Sieht man ihn sein Elend mit großer Seele ertragen, so wird diese große Seele zwar unsere Bewunderung erwecken, aber die Bes wunderung ist ein kalter Affekt, dessen unthätiges Staunen jede andere wärmere Leidenschaft, so wie jede andere deutliche Vorstellung, ausschließet.

Und nunmehr komme ich zu meiner Folgerung. Wenn es wahr ist, daß das Schreyen bei Empfindung körperli= chen Schmerzes, besonders nach der alten griechischen Denkungsart, gar wohl mit einer großen Seele bestehen kann: *) Chataubrun.

so kann der Ausdruck einer solchen Seele die Ursache nicht feyn, warum. dem ohngeachtet der Künstler in seinem Mars mor dieses Schreven nicht nachahmen wollen; sondern es muß einen andern Gruud haben, warum er hier von seinem Nebenbuhler, dem Dichter, abgehet, der dieses Geschre mit bestem Vorsaße ausbrücket.

II.

Es sey Fabel oder Geschichte, daß die Liebe den ersten Versuch in den bildenden Künsten gemacht habe: so viel ist gewiß, daß sie den großen alten Meistern die Hand zu führen nicht müde geworden. Denn wird jezt die Mahlerey überhaupt als die Kunst, welche Körper auf Flächen nachahmet, in ihrem ganzen Umfang betrieben: so hatte der weise Grieche ihr weit engre Grenzen geseßet, und sie bloß auf die Nachahmung schöner Körper eingeschränkt. Sein Künstler schilderte nichts als das Schöne; selbst das gemeine Schöne, das Schöne niedrer Gattung, war nur sein zufälliger Vorwurf, feine Uebung, seine Erhohlung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst mußte in seinem Werke entzücken; er war zu groß, von seinen Betrachtern zu verlangen, daß sie sich mit dem bloßen kalten Vergnügen, welches aus der getroffenen Aehnlichkeit, aus der Erwägung seiner Geschicklichkeit entspringt, begnügen sollten; an seiner Kunst war ihm nichts lieber, dünkte ihm nichts ebler, als der Endzweck der Kunst.

,,Wer wird dich mahlen wollen, da dich niemand. ,,sehen will," sagt ein alter Epigrammatist*) über einen höchst ungestalteten Menschen. Mancher neuer Künstler würde sagen:,,Sey so ungestalten, wie möglich; ich will dich doch mahlen. Mag dich schon niemand gern sehen: so soll man doch mein Gemählde gern sehen; nicht in so fern es dich vorstellt, sondern in so fern es ein Beweis meiner Kunst ist, die ein solches Scheusal so ähnlich nachzubilden weiß,"

Freylich ist der Hang zu dieser üppigen Prahlerey mit leidigen Geschicklichkeiten, die durch den Werth ihrer Gegenstände nicht geadelt werden, zu natürlich, als daß nicht auch die Griechen ihren Pauson, ihren Pyreicus foll ten gehabt haben. Sie hatten sie; aber sie lieffen ihnen ftrenge Gerechtigkeit wiederfahren: Pauson, der sich noch unter dem Schönen der gemeinen Natur hielt, deffen niedriger Geschmack das Fehlerhafte und Häßliche an der menschlichen Bildung am liebsten ausdrückte **), lebte in

*) Antiochus. (Antholog. lib. II. cap. 4.) Harduin über den Plinius (lib. 35. fect. 36. p. m. 698.) legt dieses Epigramm einem Piso ben. Es findet sich aber unter allen griechischen Epigrammatisten feiner dieses Namens. **) Jungen Leuten, befiehlt daher Ariftoteles, muß man seis ne Gemahlde nicht zeigen, um ihre Einbildungskraft, so viel möglich, von allen Bildern des Häßlichen rein zu halten. (Polit. lib. VIII, cap. 5. p. 526. Edit. Conring. Herr Boden will war in dieser Stelle anstatt Pauson, Pausanias gelesen wiffen, weil von diesem bekannt sen, daß er unzüchtige Figuren gemahlt habe. (de Umbra poetica, Comment. I. p. XIII.) Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen müßte, die Jus

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