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führt, das wesentlich zu der Spannung, und daher zur Schönheit des Stücks beiträgt: er hat dem Hamlet ein Gelübde abnehmen lassen, dass er Rache am Mörder seines Vaters nehmen wolle. In Folge dieses Gelübdes dreht sich fast von Anfang an die ganze Handlung um diese Rachethat wie um einen Angelpunkt, Hamlet mahnt sich wiederholt an das Gelübde und macht sich wegen des Aufschubs die bittersten Vorwürfe. Zu bewundern ist aber die genial - schöpferische Weise, in der der Dichter einen in der Sage so wenig hervortretenden, unscheinbaren Punkt zu behandeln und in den Vordergrund zu stellen gewusst hat.

Wenn wir im Auge behalten, dass wir hinter dem Hamlet der Tragödie in gewisser Beziehung den Dichter selbst zu erblicken haben, der gerade so, wie Hamlet im Monolog (107, 108), über die Schläge des hösen Schicksals zu klagen hatte, so wird uns Hamlet's Charakter ausserordentlich deutlich werden. Er mochte in einer seinem Genius unwürdigen Stellung wohl oft auf dem Punkte gestanden haben, gegen die Fluth der Leiden, die auf ihn einstürmten, Waffen zu ergreifen und ihnen mit einemmale ein Ende zu machen. Man vergleiche nur das oben in der Uebersetzung mitgetheilte 61. Sonett mit dem Monologe: Sein oder Nichtsein so wird man sich überzeugen, dass Shakspeare in Hamlet's Gemüth sein eigenes, in Hamlet's Ueberdruss am Leben den Missmuth und die düstere Stimmung gezeichnet hat, in die ihn die Widerwärtigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, versetzten. Wenn dies Alles nicht deutlich wäre, so könnte uns das 57. Sonett *) noch weiter darüber belehren:

Wenn ich, von Gott und Menschen übersehn,
Mir wie ein Ausgestossener erscheine,
Und, da der Himmel nicht erhört mein Flehn,
Dem Schicksal fuche und mein Loos beweine:
Wünsch' ich an Hoffnungen so reich zu sein
Wie Andre, vielbefreundet, hochgeboren

In Kunst, in Freiheit Manchen gleich zu sein,
Unfroh bei dem, was mir das Glück erkoren.

Zur Selbstverachtung treibt mich fast mein Sorgen,

u. s. W.

Durch die Anwesenheit der Schauspieler kommt Hamlet auf den Gedanken, den König durch ein Schauspiel, das dem Morde seines Vaters ähnlich, auf die Probe zu stellen, ob er wirklich den Mord begangen habe. Er traut der Aussage des Geistes nicht mehr. Die Rührung, in die der Schauspieler durch seine eigene Declamation geräth, treibt ihn von Neuem

Immer nach der Bodenstedt'schen Uebersetzung,

wenn er

zur That an; wenn der König beim Schauspiel sich nun wirklich verräth, so thut er doch Nichts, obgleich er vorher gesagt, nur zucke, so kenne er seinen Kurs. Hamlet ist schon zu solcher Unschlüssigkeit gelangt, dass er bereits sich selbst abmerkt, er werde nicht zum Handeln kommen. Er hat sich durch die Annahme des verstellten Wahnsinns auf einen gefährlichen Weg, den Weg der Unwahrheit, begeben. Der gerade und offene Jüngling, der ehemals sagte: „er kenne keinen Schein", sich gegen Handlungen, die der Mensch zum Schein thue, aussprechen konnte, wandelt jetzt in fortwährender Verstellung, und hat sich so vortrefflich in diese Rolle hineingefunden, dass nur der scharfsichtige Claudius noch nicht so recht daran glauben will, während er den ganzen Hof in Täuschung erhält. Es ist aber unmöglich, eine solche Rolle der Verstellung mit der Consequenz, die Hamlet dabei beobachtet, längere Zeit durchzuführen, ohne dass eine Rückwirkung auf den Charakter des Menschen selbst stattfände. Lässt also der Dichter den Hamlet so lange in der Verstellung beharren, so ist es psychologisch nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten, dass er ihn von Stufe zu Stufe sinken lassen musste im Denken und Handeln. Darum kann Hamlet die Rolle im Zimmer der Ophelia spielen, kalten Blutes den Polonius niederstossen, während er die beste Gelegenheit, den Verbrecher Claudius zu züchtigen, unbenutzt vorübergehen lässt; und endlich ist es ein Beweis eines verkehrten Geistes, dass er durch einen heimtückischen Streich, die Fälschung des königlichen Schreibens, Rosenkrantz und Guildenstern unschuldig in den Tod schickt. Nicht weniger deutlich zeigt sich, wie sein Charakter in Schwäche verfällt und alle Selbstständigkeit verliert, wenn er sich immer wieder durch äussere Anlässe an sein Gelübde und die Rachethat gegen Claudius erinnern lässt, durch den gemüthlich erregten Schauspieler, der um Hekuba, die ihn Nichts angeht, Thränen vergiesst, dann durch Fortinbras, der für eine Eierschale sein sterblich Theil auf's Spiel setzt. Auf dieselbe Schwäche deutet die Bereitwilligkeit, mit der er auf des Königs Anordnung die Reise nach England antritt, obgleich er schon eine Schurkerei dahinter vermuthet; endlich aber verfällt er ganz in ohnmächtige Ergebung vor dem Zweikampfe mit Laertes; ihm ahnt ein böser Ausgang, aber er verlässt sich, eben weil er alles Vertrauen in die eigene Kraft verloren, auf höheren Beistand, ja, giebt sich sogar einem crassen Fatalismus hin:,,es waltet ja die Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Wenn's jetzt geschieht, so braucht es nicht zukünftig zu geschehen, geschieht's nicht später, so geschieht's jetzt." Shakspeare hat hierin das innerste Wesen des Menschen er

kannt und psychologisch vollkommen richtig gezeichnet. Wenn Hamlet sagt: „es giebt eine Gottheit, die unsere Ziele formt, entwerfen wir sie wie wir wollen", so kann er unmöglich noch selbstthätig in den Gang der Ereignisse eingreifen. So überholt ihn denn auch das Schicksal. Shakspeare lässt zwar in seinen Tragödien nicht leicht das Fatum walten; der Fall seiner Helden ist die Frucht ihrer eigenen Thaten. Hier aber, im Hamlet, macht er eine Ausnahme. Der Zufall ist Hamlet günstig bei der Verfälschung des königlichen Schreibens, weil er ein Siegel in der Tasche trägt; der Zufall führt ihn auf dänischen Boden zurück; aber eben so greift das Schicksal in die Handlung ein, wenn er mit Laertes die Rappiere verwechselt und so diesem den tödtlichen Stoss beibringt, und wenn die Königin aus dem vergifteten Becher den Tod trinkt. Beide haben durch ihr Thun den Tod verwirkt; aber die Katastrophe wird bei diesen durch das Schicksal herbeigeführt. Wenn Hamlet dann die neuen Frevel des Königs erfährt, die so viele Opfer gefordert, so ist es ganz natürlich, dass er endlich sich aufrafft und dem, der all den Greuel geschaffen, den Todesstoss versetzt. Es ist aber jetzt keine That des freien Willens mehr, er ist, durch das Schicksal gedrängt, auf den Punkt gebracht, das Aeusserste, vor dem ihm so lange graute, zu vollführen; er handelt nicht als freier Held, sondern als Diener der Schicksalsmächte, und fällt seiner Unentschlossenheit selbst zum Opfer.

Einige Worte dürften noch nöthig sein über Laertes und seine Schwester Ophelia. Wir haben den ersteren schon weiter oben als einen Cavalier der französischen Schule kennen lernen. Des Vaters Lehren der Lebensklugheit hat er treulich sich angeeignet; sein Katechismus der Sitte beschränkt sich demgemäss auf den engen Kreis des äusseren Anstandes. Dabei ist Laertes von hitziger, cholerischer Natur; in Allem geht ihm die Form über den Inhalt; daher denn im ruhigen Gespräch die zierlich gesetzte, bilderreiche Phrase, in der heftigen Erregung die bis ins Unglaubliche gesteigerten Hyperbeln. Shakspeare legt ihm einige der schönsten Bilder in den Mund. Dieser Laertes hört in Paris von dem gewaltsamen Tode seines Vaters. Sofort eilt er zur Stelle, um Rache zu nehmen an dem Mörder. Er kennt noch nicht einmal die näheren Umstände; er ist aber in heftigster Erregung und das stille Begräbniss der Leiche seines Vaters leitet seinen Verdacht der That zunächst auf den König. Er ist entschlossen, sofort sein Rachewerk in die Hand zu nehmen. Hier schon zeigt sich der Gegensatz zu Hamlet in auffallender Weise. Während dieser Alles streng geheim hält, was er über den Mord seines Vaters erfahren, erregt Laertes sofort

einen Aufruhr. Der Eine hat sichere Bürgschaft, wer der Thäter sei, der Andere noch nicht eine entfernte Andeutung. Hamlet, der rechtmässige Thronerbe, thut Nichts für sein Recht; Laertes, der gar keine Ansprüche hat, wiegelt das Volk auf und lässt sich von ihm zum Könige ausrufen. Hamlet hat einen Vater verloren, der von seinem Volke geehrt und geliebt, ja, weit über die Grenzen seines Reiches hinaus hochgeachtet wurde; welch ein Unterschied zwischen ihm und dem kindisch gewordenen Polonius? Und Hamlet thut Nichts, den Vater zu rächen, obgleich er den Mörder jeden Tag, jede Stunde erfassen kann; Laertes dagegen will nicht mit sich spielen lassen, es soll kein Tropfen Bluts in seinen Adern ruhig bleiben, er verflucht die dem Könige schuldige Lehnspflicht, alle Gelübde, ja sein Gewissen in die tiefste Hölle, trotzt der Verdammniss, giebt Nichts für diese, Nichts für die künftige Welt, nur Rache fordert er; sie allein erfüllt seine Seele. Hamlet, der bei seiner Unentschlossenheit nicht mehr Herr der Situation bleibt, zieht Schuldige und Unschuldige ins Verderben; Laertes will, bei aller Heftigkeit, nur die Feinde seines Vaters vernichten, den Freunden seine Arme öffnen und sie, wie der lebenspendende Pelikan, mit seinem eigenen Blute nähren. Hamlet, der, wie alle Idealisten, seine Gefühle immer generalisirt, trägt den Hass, den er gegen Claudius empfindet, auf die ganze belebte und unbelebte Welt über, wie er denn auch die ganze Frauenwelt der Schwäche zeiht, weil seine Mutter ihn so bitter getäuscht. Laertes dagegen beschränkt seinen Groll auf den einen Schuldigen und kommt zum Ziele. Kurz, Laertes ist ein Mann der That, Hamlet ein Denker; wenn er sich selber anklagt, dass er den Vater noch nicht gerächt, beschuldigt er sich nicht, dass er nicht handeln, sondern dass er Nichts sagen könne. Laertes schreitet zur That; aber freilich, in richtiger Befolgung der Lehren seines Vaters, nicht auf ehrlichen, sondern auf krummen, versteckten Wegen, durch die er Ritterlichkeit und Ritterthum wie ein gemeiner Verbrecher beschimpft; darum muss er denn auch als Opfer seiner niedrigen Tücke fallen.

Ophelia, zur Zeit der Handlung kaum dem Kindesalter entwachsen, eine Jungfrau in erster Jugendblüthe, hatte vor dem Beginn unserer Tragödie in einem Liebesverhältniss mit Hamlet gestanden, dessen schon einmal Erwähnung geschehen. Vom Vater, dem weltklugen Polonius, der wohl weiss, welche Gefahren jungen Mädchen drohen, wird sie sorgfältig bewacht und behütet. Ophelia ist daher unerfahren und ihrem alten Vater gegenüber völlig willenlos. Polonius, der seine Tochter wahrscheinlich um jeden Preis im königlichen Purpur sehen wollte, spielt in Bezug auf das vertraute Verhältniss seiner Tochter

eine doppelte Rolle und nöthigt das Mädchen in seinem mehr als zweideutigen Spiele mitzuwirken. Sie muss Hamlet abweisen, ihm Geschenke und Briefe, die sie von ihm erhalten, zurückgeben. Die Scene, da Hamlet eben seinen grossen Monolog gehalten und dann Ophelia trifft, ist eine der rührendsten in dem ganzen Stücke. Eben mit den 'schwermüthigsten Gedanken beschäftigt, die ihn über Zeit und Ewigkeit wegtragen, sinnend, wie der Mensch der Leiden dieses Lebens ledig werden könne, und zu der Ueberzeugung gelangt, dass uns das Denken, das Reflectiren über die Folgen unserer Handlungen vom Handeln abhält, da bemerkt er Ophelia, das reizende Mädchen, das er einst geliebt, jetzt aber, da düstere Ereignisse seinen heiteren Sinn umflorten, aufgegeben und vernachlässigt hat, und es durchbebt ihn noch einmal das zarte Gefühl der Zuneigung. Auf des Polonius Befehl musste sie sich an diesen Ort begeben, damit Hamlet sie wie von ungefähr dort treffe, während der König und Polonius das Gespräch belauschten. Um sich das Ansehen frommer Uebung zu geben, soll sie auch in ein Gebetbuch blicken! zu solcher Comödie musste sich die arglose Jungfrau gebrauchen lassen. Mit einem Blicke durchschaut Hamlet die Absicht und - ist verstimmt. Da nimmt er denn sofort den verstellten Wahnsinn an und begegnet dem lieblichen Wesen mit dem bittersten, beissendsten Hohn. Es wird hierdurch vollkommen erklärlich, warum er vor dem Schauspiele der Ophelia verschiedene anstüssige Redensarten sagt; bitterer Hohn über die schnöde Verletzung des zartesten Gefühls drängen ihn unaufhaltsam dazu."

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Im vierten Acte erscheint Ophelia als Wahnsinnige und es entsteht die Frage, wodurch sie in diesen beklagenswerthen Zustand versetzt wird. Hir ist der Vater gemordet, von ihrem Geliebten gemordet, und dieser, ihrer Meinung nach, dem Wahnsinn verfallen. Ist hier wirklich Grund,, um den Wahnsinn der Ophelia zu motiviren? Ueberall, wo das Mädchen auftritt, zeigt Erregung. Wenn ihr

es sich lediglich passiv und von gelosse Tändelei vorstellt,

der Bruder Hamlet's Liebe als eine nimmt sie es gelassen hin; wenn ihr der Vater jeden Verkehr mit Hamlet verbietet, verspricht sie willigen Gehorsam. Auf eine tiefgreifende Leidenschaft lässt sich bei ihr nirgends schliessen. Kaum scheint es möglich, ihren Wahnsinn durch diese Ereignisse zu rechtfertigen: denn am Ende ist es Naturregel, dass die Eltern vor den Kindern sterben, und wenn der gewaltsanie, sollte angeführt

unnatürliche Tod etwa als stärkerers

werden können, so verkümmert denn doch d des Alten um Vieles den Eindruck, den sein Tod sonst möglicher Weise hätte machen können.

imbecile We

auf die Ochter Wäre ihre Liebe

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