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Dichters zu lesen und nach jeder Richtung hin zu verstehen, ist eine schwierigere Aufgabe, als Manche sich denken mögen; ja, man kann dreist sagen, dass nicht einmal ein Engländer, geschweige denn ein Deutscher, ohne gründliches und mühevolles Studium darauf verwendet zu haben, unseren Dichter völlig verstehen kann. Die Schwierigkeiten sind theils sprachliche, theils reale, auf Sitten, Gebräuchen, Anschauungen beruhende; beide sind uns, wenigstens in vielen Punkten, der Zeit nach so weit entrückt, dass selbst unter den gewiegtesten Literaten und Shakspeare-Kennern Zweifel und Abstimmigkeiten darüber herrschen. Ein zum vollen Verständniss, führendes Studium des Dichters erfordert, ausser der zu jeder ernsten Arbeit nöthigen Ausdauer, zunächst viel Zeit, und dann einen nicht unbedeutenden literarischen Apparat. Beide dürften nicht Jedem zu Gebote stehen, wenn er auch sonst mit dem besten Willen an die Arbeit gehen möchte. Für solche nun, die des Englischen in einigem Grade kundig sind und zugleich anderweitige sprachliche Bildung besitzen, ist die gegenwärtige erklärende Ausgabe des Hamlet bestimmt, und habe ich gemeint, alles das in den Kreis dieser Erklärungen hereinziehen zu müssen, was irgendwie Schwierigkeit bieten könnte. Eine Ausgabe, die ohne andere Hülfsmittel dem Leser das zum vollen Verständniss Nöthige bietet, so weit wenigstens bietet, als heut zu Tage noch die nöthigen Aufklärungen zu erlangen sind, wird bei einer, grossen Zahl Freunden Shakspeare's Lust und Freude an der Beschäftigung mit einem Werke dieses Meisters aller Meister Zuversichtlich anfachen. Es dürfte dieses Buch ich glaube, dazu berechtigt es die Ausführlichkeit, der gegebenen Erklärungen gleichsam eine Propädeutik für

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die Shakspeare-Lectüre bilden, da man nach gründlichem Studium des Hainlet ohne grosse Schwierigkeiten andere Stücke unseres Dichters wird verstehen können.

Diesen, einer mühevollen und nach Kräften gründlichen Arbeit gewiss würdigen Zweck beabsichtigte ich mit der vorliegenden Ausgabe des Hamlet zu erreichen, so weit es mit den mir zu Gebote stehenden Hülfsmitteln möglich war. Bei schwierigen und zweifelhaften Stellen habe ich nicht versäumt, entgegenstehende Ansichten, namentlich wenn sie von anerkannten Meistern in der Shakspeare-Kritik herrühren, gebührend zu berücksichtigen und habe sie, je nach Bedürfniss, entweder bestätigt, widerlegt, oder auch bloss angeführt.stol,

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Rücksichtlich des grammatischen Stoffs, der in dieser Arbeit nicht selten in Betracht kam, konnte ich mit den Kategorien der landläufigen Grammatiken auch hier schlechterdings nicht auskommen; man wird daher, besonders in Betreff der Satzlehre, hin und wieder auf ungewohnte Nomenclaturen stossen, die jedoch dem Sprachkundigen sofort verständlich sein werden; Andere verweise ich auf meine ,,Grammatik der englischen Sprache. Berlin bei Duncker und Humblot." Die Textkritik ist mit aller Sorgfalt gehandhabt; die allgemeinen Gesichtspunkte über diesen Gegenstand sind in der Einleitung angegeben worden.

Schliesslich kann ich nicht unterlassen, mit besonderer Anerkennung der höchstverdienstlichen Arbeit von Delius zu gedenken, die, weil sie sich über sämmtliche Shakspeare'sche Dramen erstreckt, fast ein Riesenwerk genannt zu werden verdient. Ich verdanke ihr viele Fingerzeige und Hülfen. Wenn ich nicht überall beistimmen konnte, so wird der geehrte Verfasser dies so

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Dass ich gerade die

natürlich finden wie ich selbst. Hamlettragödie wesentlich aus dem Leben des Dichters selbst heraus zu erklären bemüht war, wird, nach meinen Anführungen darüber, kaum der Entschuldigung, viel weniger einer weiteren Begründung bedürfen, als ich in der Einleitung gegeben habe; ich spreche daher schliesslich nur noch den Wunsch aus, dass meine Arbeit Etwas dazu beitragen möge, die Zahl derer zu mehren, die an Shakspeare'scher Muse sich erquicken können.

Die Eintheilung des Textes in Abschnitte, Paragraphen, oder wie man's sonst nennen will, habe ich der Elze'schen Ausgabe entnommen. Lange schon wünschte ich eine solche Eintheilung der Shakspeare'schen Dramen, denn sie ist für den Nachweis bestimmter Stellen geradezu unentbehrlich; da es ziemlich gleichgültig ist, wie man eintheilt, so habe ich die vorhandene unverändert aufgenommen, um nicht durch eine andere wieder Verwirrung hervorzurufen.

Parchim im Mai 1868.

J. H.

EINLEITUNG.

Die älteste auf uns gekommene Ausgabe des Hamlet ist eine

Quart von 1603. Sie war lange verloren gewesen, bis endlich im Jahre 1825 ein einziges Exemplar derselben aufgefunden wurde; es fehlte aber das letzte Blatt. Das Exemplar befindet sich im Besitze des Herzogs von Devonshire, ist aber sowohl in London, wie in Leipzig nachgedruckt worden. Im Jahr 1856 soll ein zweites Exemplar dieser Ausgabe von einem Dubliner Buchhändler aufgefunden worden sein. An diesem Exemplar fehlt der Titel, dagegen ist das letzte Blatt vorhanden. Die älteste Ausgabe ist also nun vollständig wieder hergestellt. Im Jahr 1604 wurde eine andere Quartausgabe gedruckt, die von der von 1603 bedeutend abweicht und vollständiger ist als diese. Nach dieser erschienen noch mehrere, mit der zweiten fast übereinstimmende Quartausgaben in verschiedenen Jahren 1605, 1609, 1611 und eine ohne Jahreszahl; noch andere erschienen nach des Dichters Tode, also nach 1616. Die Ausgabe von 1604, und mit ihr alle späteren Quarts, unterscheiden sich von der ersten nicht blos durch grössere Vollständigkeit, sondern theilweise auch im Plane der Handlung; zwei Personen haben andere Namen bekommen. Im Jahr 1623, also sieben Jahre nach des Dichters Tode, liessen die Vorsteher (managers) des Globe-Theaters, Henrie Condell und John Heminge, eine Gesammtausgabe der Shakspear'schen Dramen in Folio erscheinen. Aber diese Ausgabe wurde sehr fehlerhaft gedruckt; zu den Fehlern und Versehen, welche sich in die späteren Quarts eingeschlichen hatten, kamen noch neue hinzu. Eine zweite Folio - Ausgabe erschien 1632, die aber allgemein für werthlos erklärt wird, da sie zu den Fehlern der ersten Fol. noch eine Menge neue mit aufgenommen hat. Steevens zwar nimmt die

Ausgabe in Schutz. Noch schlechter soll eine dritte Fol. von 1664 sein, von der indess die meisten Exemplare beim grossen Brand von London im Jahr 1666 vom Feuer verzehrt wurden. Eine vierte, noch schlechtere Fol. erschien 1685. Nach diesem Allem bleibt denn Nichts übrig, als sich wesentlich nach dem Texte der zweiten Quart von 1604 zu richten, dabei jedoch, da auch diese ganz unverständliche, offenbar corrumpirte Stellen enthält, die erste Quart sowohl wie die späteren, nebst der ersten Folio mit zu Rathe zu ziehen, wo die Lesart der zweiten Quart gerechte Zweifel der Echtheit erregt. Dieses ist in der vorliegenden Ausgabe mit aller Sorgfalt und in so weit geschehen, als es bei der Unmöglichkeit einer Einsicht in die alten Drucke, nach den darüber zu erlangenden Berichten durch gewissenhafte Editoren, möglich war. Ueberall ist die nöthige Rechenschaft über die gewählte Lesart gegeben, nur ganz unbedeutende Dinge, die nie Bedenken erregen können, sind mit Stillschweigen übergangen worden. Zu erwähnen bleibt noch, dass in den Quart-Ausgaben eine Eintheilung der Hamlet-Tragödie in Acte und Scenen sich nicht vorfindet; die Folios geben den ersten und zweiten Act an, machen dann aber keine weitere Eintheilung. Die jetzt übliche Eintheilung rührt von Rowe in seiner Ausgabe von 1709 her.

Dem Hamlet-Drama liegt eine Geschichte zu Grunde, welche von dem dänischen Geschichtschreiber Saxo Grammaticus erzählt wird. Aus diesem entlehnte sie der französische Novellenschreiber Belleforest und liess sie als Novelle in seiner aus 7 Bänden bestehenden Sammlung, welche zum erstenmale 1559 und den nächstfolgenden Jahren in Paris erschien, abdrucken. Im Jahr 1596 erschien eine englische Uebersetzung der französischen Novelle.

Nach Saxo Grammaticus lautet die Hamletsage etwa so: Unter dem Könige Rörik wurde Jütland von zwei Statthaltern oder Unterkönigen, Horvendill und Fengo, verwaltet. Horvendill ergab sich der Seeräuberei und erwarb sich so viel Ruhm, dass er den Neid des Norwegischen Königs Roller erweckte. Dieser sucht den Horvendill zur See auf, findet ihn auch bald in der Nähe einer Insel, worauf beide ans Land steigen und einen Zweikampf verabreden; sie kamen überein, dass der Sieger seinem Gegner, wenn er ihn verstümmelt, ein angemessenes Wehrgeld geben, wenn er ihn getödtet, eine anständige Beerdigung zukommen lassen soll. Roller bleibt im Kampfe, wird begraben und Horvendill kehrt mit reicher Beute zurück. König Rörik giebt ihm seine Tochter Geruthe zur Frau. Mit dieser zeugt er einen Sohn, Namens Amleth.

Fengo, der eine Neigung zu Geruthe gefasst, ermordet

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