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Muster zu suchen und durch das Urtheil der englischen Presse einen Namen zu bekommen. Ebenso machten es denn nun auch die ältesten Novellisten. Der Erste, welcher sich freier bewegte und deffen Romane als epochemachend für America anzusehen sind, war Charles Brockden Brown, der Sohn eines Quäfers in Pennsylvanien. Er wurde am 17. Januar 1771 in Philadelphia geboren und gab schon in frühester Jugend entschiedene Abneigung gegen die Landwirthschaft zu erkennen, für welche ihn sein Vater bestimmt hatte. Bei der großen körperlichen Schwäche des Knaben ließ man ihn gewähren, und er konnte deßhalb ganz seiner Neigung gemäß einsam in den Wäldern umherstreifen und ungestört die Wunder der Natur beobachten und seinen Träumereien nachleben. Endlich entschloß er sich, den Beruf eines Advocaten zu ergreifen, welcher so Vielen in America Vermögen und Ansehen verschafft hat. Das Studium indessen, durch welches er sich zu seinem künftigen Stande vorbereiten wollte, erschien ihm etwas trocken, und er wurde dagegen mit der entschiedensten Abneigung erfüllt, nachdem er in seinem Gewissen durch das quälende Bedenken längere Zeit beunruhigt war, daß er als Advocat vielleicht dereinst Menschen und Thaten werde zu vertheidigen haben, die er innerlich verdammen müßte. Ungeachtet aller vernünftigen Vorstellun gen, durch welche ihn seine Familie von dem gefaßten Entschlusse abzubringen suchte, verließ er seine Lehrer und überließ sich ohne allen Plan seinen Träumereien. Nach einer längeren Reise durch Pennsylvanien begab er sich nach New-York, beschäftigte sich daselbst eine Zeitlang mit kleineren literarischen Arbeiten für Zeitschriften und schrieb verschiedene politische Auffäße, zu deren Abfaffung er vorzugsweise durch den damaligen Umschwung der Dinge in Frankreich veranlaßt wurde. 1793 ließ er eine Reihe interessanter Auffäße unter dem Titel Sky-walks erscheinen, stiftete mehrere Zeitschriften*), und es folgten später nach einander seine größeren Romane: Wieland, Ormond, Arthur, Mervyn und Edgar Huntley, von denen die frü heren das meiste Lob verdienen; seine beiden leßten Werke Clara Howard und Jane Talbot sind dagegen am schwächsten. Er schrieb seine Romane, welche ihm vorzugsweise einen Namen verschafft haben,

*) 1799 The Monthly Magazine and American Review. 1805 The Literary Magazine and American Register; die erstgenannte Zeitschrift bestand nur ein Jahr, die lettere erlebte fünf Jahrgänge. 1806 begründet er The American Register, von welchem bis zu seinem Tode halbjährlich ein Band erschien.

eigentlich nur zu seinem Vergnügen und ließ sie in einzelnen Abschnitten erscheinen, indem meistens der Anfang schon gedruckt wurde, ehe das Ganze noch vollendet war.

In allen seinen Schriften verlegte er die Scene stets nach America und er erlangte vielleicht vorzugsweise hierdurch in England, wo Godwin und Andere sein Talent rühmten, größere Popularität, als selbst in seinem Vaterlande. Ungeachtet seines Strebens nach Unabhängigkeit und der düsteren Schwermuth seines ganzen Wesens hatte Brown dennoch für das Schicksal Anderer die zarteste Theilnahme; er bewährte sich als den treuesten Freund und fühlte überhaupt mehr für Andere als für sich selbst. Seine Krankheit verursachte ihm viel Leiden, aber er ertrug Alles mit der männlichsten Ergebenheit und verschmähete es sogar, auch nur die leiseste Andeutung von seinen Schmerzen jemals zu machen. Gegen Ende des Jahres 1809 erkrankte er ernstlich und im vollen Bewußtsein seines bevorstehenden Scheidens beunruhigte ihn nur der Hinblick auf die trostlose Lage seiner geliebten Frau und seiner vier Kinder, für deren Zukunft er noch nicht recht hatte sorgen können. Am 22. Febr. 1810 machte ein sanfter Tod seinem Leben ein Ende.

Brown stand eine lange Zeit ganz allein, und Niemand näherte fich ihm bis zu dem Auftreten Cooper's. Mit einer nicht gering anzuschlagenden Bildung verband er ein damals in America ungewöhnliches Talent, und Alles was er schrieb, war in der That originell. Seine Schöpfungen folgten einander sehr schnell; er scheute keinen Tadel, troßte vielmehr der Kritik und hatte eigentlich nur die Wirkung im Auge, welche seine Erzählungen auf die große Masse der Leser machen würden.

Wieland, or the Transformation, sein erstes größeres Werk, erschien im Jahr 1798, also kurz vor jener Zeit, welche man nicht

mit Unrecht die Periode der Romane genannt hat. In diesem Werke will uns der Verfasser ein Bild von den Verirrungen geben, zu denen der religiöse Fanatismus führen kann. Ein puritanischer Pflanzer in Pennsylvanien, mit dessen religiöser Begeisterung ein teuflischer Freund vermöge seiner Kunst im Bauchreden ein leichtsinniges Spiel getrieben hat, glaubt göttliche Stimmen zu vernehmen, welche ihn zur Ablegung jeglichen Egoismus auffordern, von ihm die Entäußerung seines theuersten Besizes verlangen und ihn endlich in seinem Wahnwiße zu der Ermordung seines geliebten Weibes und seiner

Kinder fortreißen. In der Stunde der Ausführung hat er einen furchtbaren Kampf durchzumachen, denn die Liebe zu den Seinen ist in ihm überaus mächtig, aber sein religiöser Wahnsinn bleibt zulezt siegreich und in dem Gefühle seiner Pflicht verrichtet der Unglückliche die gräßliche That und bringt das schwere aber entfeßliche Opfer. Die menschliche Gerechtigkeit bemächtigt sich des Mörders und führt ihn zu der Einsicht seiner gräßlichen Verirrung, und die Reue nagt zu gewaltig an seinem gebrochenen Herzen, als daß er länger seine Gewissensbisse zu ertragen vermöchte. Ein Selbstmord endet sein Leben. Der ganze Gegenstand ist schaudererregend und gränzt an das Unnatürliche; aber die Ausführung feffelt im Einzelnen den Leser in einer solchen Weise, daß man sich der Theilnahme an den verschiedenen Schilderungen gar nicht entschlagen kann.

Sein zweiter Roman, Ormond, schildert uns die Lebensschickfale eines ziemlich mittelmäßigen Künstlers, Dudley, welcher nach dem Tode feines Vaters eine Apotheke übernimmt, durch seinen Affocié Ormond betrogen und zu Grunde gerichtet wird und zuleßt als blinder Mann sein Brod erbetteln muß. Seine Tochter Constantia ist die eigentliche Hauptfigur in dem ganzen Werke, und sie ist vielleicht eine der gelungensten Zeichnungen weiblicher Hochherzigkeit und Anmuth, welche überhaupt von americanischen Schriftstellern entworfen worden ist; auch die Charaktere sind in der Novelle kühn und nicht ohne Glück durchgeführt, und besonders der erste Theil des ganzen Werkes ist mit großer Sorgfalt behandelt. Allmählig scheint indeffen der Verfasser seine Theilnahme für seine Schöpfung verloren zu haben, er ist gleichsam ermüdet und arbeitet sich im zweiten Theile mit scheinbarem Widerstreben weiter fort bis er endlich den Schluß erreicht hat. Im Jahr 1799 veröffentlichte er zwei Romane: nămlich Arthur Mervyn, worin er seine Erinnerungen an die vorhergehenden Schreckensjahre zu einer vortrefflichen Schilderung von dem wüthenden Auftreten der Pest benußte und außerdem in Waldeck, einem leichtsinnigen Wüstling, eine wahrhaft vollendete Charakterzeichnung lieferte; - und Edgar Huntley, ein Werk, welches reich an interessanten Einzelheiten ist und vorzüglich wegen seiner vortrefflichen Schilderungen von dem Leben und dem ganzen Wesen der Indianer gerühmt zu werden verdient.

Brown's Styl ist nicht gerade glänzend, sehr geschmackvoll und mannigfaltig, aber meistens klar, einfach und leicht. Die Fehler,

welche sich in demselben nachweisen lassen, erklären sich vollständig aus der großen Eile, in welcher er schrieb; hätte er irgend Zeit gehabt, die Feile anzulegen, so würde er ohne große Mühe die manchen Mängel haben entfernen können, deren Vorhandensein man sehr bedauern muß; und dieses zwar deßhalb um so mehr, weil seine Romane ungeachtet mancher Fehler fortdauernd ihre Leser finden werden.

Man darf es hierbei nicht unerwähnt lassen, daß der Bau seiner Perioden zwar sehr einfach ist, daß aber die Wahl der Wörter, wobei alles Sächsische mit großer Aengstlichkeit vermieden zu sein scheint, oft wahrhaft komisch ist. Brown gebraucht die lateinischen Ausdrücke bei Wendungen, in welchen sie sonst nirgendwo vorkom men: so sagt er z. B. her decay was eminently gradual, trieved reflection, -extenuate the danger, immersed in perplexity, obvious to suppose, piously interrogated u. f. w.

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Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß Brown erfinderisch war, aber es fehlte ihm ein eigentlich günstiges Material, und während man dem Talente des Schriftstellers alle Achtung zollen muß, kann man mit der Wahl seiner Gegenstände doch eigentlich nie recht zufrieden sein. Seine Phantaste wendete sich mit besonderer Vorliebe dem Entfeßlichen und Schrecklichen zu und schuf eine Menge von Personen und Scenen, die nur Abscheu erregen konnten und äußerst unnatürlich waren. Seine Gestalten sind oft bloße Caris caturen oder Ungeheuer, welche weder in der Sitte noch in den Meinungen des Volkes wurzelten. Seine ganze Richtung ist überhaupt außerordentlich düster, und er führt sogar seine Leser nicht allmälig zu den Schreckensscenen hin, sondern ohne alle Vorbereitung und Schonung stürzt er sie von einer Täuschung und von einem Schmerze in den andern. Es fehlt bei ihm durchaus an Abwechslung, und von Humor z. B. besißt er keine Spur. Während feine männlichen Charaktere, wie schon oben bemerkt wurde, im Allgemeinen gut gezeichnet sind, kann man seinen Frauengestalten nicht gerade dasselbe Lob spenden, und sie nehmen unser Interesse nur wenig in Anspruch; als eine Ausnahme hiervon verdienen nur Conftantia in Ormond und Louisa in der unvollendeten Erzählung Stephen Calvert angeführt zu werden, welche wirklich sehr gelungen sind und in deren Durchführung eine Reihe von feinen psychologischen Andeutungen nicht zu verkennen ist.

Nach Brown muß sogleich Richard H. Dana genannt werden, welcher in America selbst verhältnißmäßig zwar wenig Anerkennung nur gefunden hat, derselben aber weit würdiger war als mancher Andere, welchem sie seine Landsleute in verschwenderischer Weise spendeten. Wir verweisen übrigens unsere Leser auf Bd. XIII. p. 100, wo bei Besprechung der Gedichte Dana's schon ganz ausführlich auch seiner verdienstlichen Leistungen auf dem Felde des Romans ge= dacht worden ist und wo auch seine anderen prosaischen Schriften bereits besprochen wurden.

Kein Schriftsteller America's ist wohl so viel gelesen und in so viele Sprachen übersezt, als Cooper, zu welchem wir uns jezt wenden. Sein Geist hatte volle, kräftige Nahrung aus dem heimath= lichen Boden gezogen, und seine Werke erschienen deßhalb als ein treuer Spiegel jener großartigen, transatlantischen Natur, deren Anblick für Europa völlig neu und wunderbar war. Er besaß eine gewisse Aehnlichkeit mit Walter Scott, indem er die Phantasie mächtig zu ergreifen und die Theilnahme seiner Leser auf das Lebendigste bis zum Schluffe zu fesseln wußte; aber er hatte weder den Humor und das Pathos noch auch die Feinheit und Zartheit in der Auffassung der Charaktere, welche uns bei dem schottischen Dichter so sehr erfreut; beide waren übrigens praktische Männer, denen es weder an Kraft noch auch an Muth fehlte, mit der rauhen Wirklichkeit der Welt den Kampf zu bestehen.

James Fenimore Cooper wurde am 15, September 1789 in Burlington (New Jersey) geboren; sein Vater, welcher das Amt eines Richters bekleidete, legte den ersten Grund zu einer Niederlassung am Otsego See, die man später nach ihm Cooperstown benannte. Der reichbegabte Knabe erhielt eine tüchtige wissenschaftliche Ausbildung und zeichnete sich ganz besonders durch seinen Eifer für das Studium der klassischen Sprachen aus. Nachdem er im J. 1805 Vale College verlassen hatte, erhielt er eine Stelle als Seecadet; während seiner sechsjährigen Dienstzeit in der Marine gewann er durch die Offenheit und Redlichkeit, welche in seinem ganzen Wesen lag, wie auch durch seine große Kühnheit und Entschlossenheit allseitige Achtung und Zuneigung. Reich an Erfahrungen zog er sich in das Privatleben zurück, verheirathete sich, blieb eine Zeitlang in Westchester und nahm dann in Cooperstown seinen dauernden Wohnsiz. 1821 begann er seine schriftstellerische Laufbahn durch die Her

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