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Friedrich Diez' Gedicht an Karl Ebenau.

Die innige Freundschaft, die Friedrich Diez mit dem etwas jüngeren Karl Ebenau (geb. am 22. Dezember 1795, gest. am 18. April 1843) verband, ist durch Mitteilungen aus verschiedenen Nachlässen und Akten wiederholt in freundliche Erinnerung gcbracht worden, so, um nur das Wichtigste zu nennen, durch W. Foerster in der Einladung zur Universitätsfeier von Diezens hundertjährigem Geburtstage, Bonn 1894 (Freundesbriefe von Friedrich Diez, 25 S. 4) und in der Fortsetzung dazu (Zeitschr. f. frz. Spr. u. Lit., XVIII S. 218-254), durch D. Behrens in seinen Mitteilungen aus Karl Ebenau's Tagebuch' in der nämlichen Zeitschrift, Bd. XVII1 S. 129-187, wo auch die in meinem Besitz befindlichen Aufzeichnungen Diezens über die mit dem Freunde 1815 durch das Lahutal und am Rhein gemachte Reise wiedergegeben sind, endlich durch Herman Haupt in seinen 'Kleinen Beiträgen zur Geschichte von Friedrich Diez' Jugendjahren' (in derselben Zeitschrift, Bd. XXX1 S. 343-353, 1906). Schriftliche Zeugnisse aus der frühesten Zeit des vertrauten Verkehrs zwischen den beiden jungen Männern sind nur in geringer Zahl vorhanden; als Angehörige der nämlichen Universität und der gleichen Verbindung sahen sie sich damals in dem kleinen Giefsen oft genug, um brieflicher Aussprache entraten zu können. So wird denn nachfolgendes an den Freund gerichtete Gedicht Diezens, das bisher nicht bekannt geworden ist, von dessen einstmaligem Vorhandensein man aber unterrichtet war, denen willkommen sein, deren Blick gern und mit gerührter Teilnahme auf der Gestalt auch des schwärmerisch begeisterten Jünglings verweilt, der nachmals eine der stolzen Freuden seines Volkes werden sollte.

war

Im Winter 1815 auf 1816, also gleich nach der gemeinsamen Reise, vielleicht schon gegen Ende derselben der trübe Schlufs von Diezens Reisetagebuch legt die Vermutung nahe eine gewisse Kühle zwischen den zwei Freunden eingetreten. Was davon die Ursache gewesen sein mag, entzieht sich unserer Kenntnis. Schwerlich war es der 'heftige Streit über die französische Sprache', dessen Ebenau zum Oktober 1815 (bei Behrens

S. 131) gedenkt, während Diez seiner nicht erwähnt. Vielleicht tut auch gar nicht not, nach einem besonderen Anlafs zu fragen, und genügt es, sich zu erinnern, dafs gerade so schwärmerische Freundschaften wie die zwischen unseren zwei Jünglingen bestehende, schwerlich in jedem Augenblick sich ganz auf demselben Grade wärmster Hingebung behaupten können, und dafs, je mehr der eine Freund in dem anderen die sicher und für sein ganzes Leben gewonnene Erfüllung seines Sehnens nach innigstem Seelenanschlufs gefunden zu haben geglaubt hat, um so schmerzlicher ihn auch der geringste Anschein von Mangel des gewohnten Einklanges verletzen, um so leichter er enttäuscht zurückweichen und völlige Entfremdung da erblicken wird, wo vielleicht nur ein verschämtes Mafshalten in äufserlicher Kundgebung eines in Wirklichkeit immer gleichen Gefühls vorliegt. Gewifs ist, dafs beide Freunde unter der vorübergehenden Lockerung des Bandes schwer litten, das zuvor sie verknüpft hatte. Ebenau vertraut seine Klage im Mai 1816 dem verschwiegenen Tagebuche (S. 138 ff.). Von Diez hätten wir ein gleiches Be

1 1815. October: Lahn- und Rheinreise. Fouqué's Märchen. Ossian. Heftiger Streit über die französische Sprache. Fouqué's Todesbund.

2 Mai 12. Nur wenn ich Fritz zuweilen vorbeigehen sah, schmerzte es mich, dass ich ihm nicht wie sonst freundlich zurufen konnte, oder, ich weiss nicht warum, nicht wollte. Ich meinte schon vom Winter her thörichter Weise, ich sei ihm gleichgültig geworden, nach der langen Trennung den Winter durch, wollte ich mit verfluchter, stolzer Steifheit ihn nicht zuerst wieder aufsuchen, an einem dritten Orte dachte ich immer, würden wir uns passeuder einander wieder nähern. Aber ich konnte Fritz nirgends finden. An einem schönen Sonntag hoffte ich diess auf der Badenburg (19 h.), wohin ich mit Zühl etc. zog, aber vergebens. Ich sehnte mich unendlich nach Fritz. Ich besuchte seinen Garten und die Laube, in der wir im vorigen Jahre den Nachtigallenschlag hörten oder lasen. Ach! es war alles zerrissen. Wehmüthig trat die Erinnerung der vergangenen seligen Tage über die trübe Gegenwart. Das ist nun wieder hin, dachte ich. Fritz liebt dich nicht mehr wie sonst, er hätte dich sonst nicht so lange entbehren können. Ich hatte ihn freilich ebenso lange entbehrt und liebte ihn wie vormahls. Jetzt beschlofs ich denn bestimmt, zu ihm zu gehen. Eines Abends begegnet er mir am Neuweger Thor mit seinem Bruder, nach langer Zeit sah ich ihn hier wieder einmahl in der Nähe und begrüsste ihn, welches er aber sehr kalt erwiederte und in die Stadt hineinging. Ein bitterer Schmerz durchbohrte mir die Seele; ich laufe in den Lerchenwald, über den Tripp, bis in die dunkle Nacht, um mir Luft zu machen, und sehe weinend zu dem wolken überzogenen Himmel hinauf. Ach, dir bleibt doch nichts, rief ich laut, alles woran dein Herz je mit Liebe gehangen, es ist dir untergegangen, und da trat es mir nun alles vor die Seele, was ich im Leben schon verloren, und wie mir alle Aussicht verschlossen sei, in der Zukuntt irgend grosses zu erringen. Täuschung schien es mir, was ich kurz vorher von der hohen Bedeutung des Menschenlebens geglaubt; was ist denn, dachte ich, dein ganzes Streben, wenn du kein liebendes Herz an deine Brust drücken kannst und mit ihm und durch es das Ewige fühlen? Wie losgerissen von der ganzen Natur kehrte ich nun zurück; es zog mich zu Fritz bei Archiv f. n. Sprachen. CXIX.

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kenntnis kaum erträglicher Vereinsamung nicht, wäre uns nicht das nachfolgende Gedicht erhalten; aber aus dem, was Ebenau von gelegentlichen Begegnungen mit ihm erzählt, errät man leicht, wie auch sein Freund, dessen Herz wahrlich nicht minder warm schlug, sich Gewalt antat, um den Geliebten nicht gleich wieder an die Brust zu drücken. Am 19. Juli 1816 schlug endlich die Stunde der ersehnten Wiedervereinigung. Diez war im Juni in Westfalen gewesen, hatte auf dem Rückwege die Stätten wiedergesehen, die sie im Vorjahre zusammen durchwandert, wo sie miteinander gesungen, gescherzt und in Ossian, in Tiecks Genoveva und in der Erinnerung an die Gröfse der Väter geschwelgt hatten. Jetzt, nach einigen Begegnungen, die ohne Folgen geblieben waren, kam Diez auf Ebenaus Zimmer, zwar, wie dieser fürchtete, blofs um ein geborgtes Buch zurückzuholen, in Wirklichkeit aber in der stillen Hoffnung auf weiteres, das denn auch nicht ausblieb. 'Er kam', erzählt Karl S. 141, 'blieb lange, ich führte manches Vergangene jetzt zufällig in die Rede zurück. Fritz erwiederte es mit Wärme; er war wenige Stunden. in Cölln gewesen, hatte die 7 Berge gesehen, was er mir feurig erzählte, und wie ihn der Anblick hingerissen und zum Gedichte begeistert. Wohl konnte ich dies glauben und begreifen! Ich zeigte Fritz, womit ich bisher mich beschäftigt, dann gab er mir das Gedicht, das ihm in Westphalen bei der Ansicht der Rheingegend und der süfsen Erinnerungen dabei entquoll, und er an mich gerichtet hatte, und entfernte sich. Ein nie erlebtes Überraschen durchbebte schon beim Aufschlagen mein ganzes Wesen. Da standen die schönen Zeichen unseres Bundes oben an, grün und blau daneben; ich las und stand erstaunt und beschämt vor meinem Wahne, und konnte nur bereuen, dafs ich meinen lieben Fritz so verkannt hatte. Fest stand die heilige Stunde unserer Liebe in seinem treuen Herzen, mit warmer Innigkeit rief er mir in seinem schönen Gedicht die edel vergangenen Tage zurück und war noch ganz unverändert der vorige.'

Dieses Gedicht ist uns erhalten, und zwar in Diezens eigener dem Vorbeigehen an seinem Hause. Ich trat in Fritz' Stube, ein bekannter, theurer Geist umwehte mich, alles wie vormahls. Fritz kam und schien sich zu freuen über meine Gegenwart; wunderlich ging es in mir herum, vertraulich und liebend sehen diese Bücher, Bilder und Schmetterlinge auf mich herab, ich konnte nicht reden vor Wehmuth. Fritz giebt mir seine Liederübersetzung, in denen ich noch spät lese. Freitag Abend vor Pfingsten bringe ich Fritz seine Lieder zurück. Sein Bruder Louis war gekommen; ich verspreche Samstag, wo ich abreise, wieder noch einmahl zu kommen, um Louis zu sehen.

Juni 11.: Fritz ist in Westphalen, und ich bin also wieder ganz allein, wie vorher und da ich einmal schmerzvoll meinte, ein böser Geist habe vielleicht unsere Herzen für immer geschieden, so war mir das zum Theil erwünschter Zufall, ihn gar nicht am Fenster oder an mir vorbeigehen zu sehen, wo mir denn meine Wunde immer aufs neue blutete.

Niederschrift auf denselben Blättern, die der Verfasser am 19. Juli 1816 dem wiedergewonnenen oder besser nie verlorenen Freunde in die Hand legte. Es ist ein Heftchen von vier kleinen Oktavblättern. Die erste Seite trägt (ähnlich wie die ersten der 'Freundesbriefe', s. bei Foerster S. 33 Anm. zu Nr. 1) oben 'die schönen Zeichen unseres Bundes', d. h., mit der Feder gezeichnet und von Strahlen umgeben, ein Kreuz von der Form des eisernen Kreuzes, darüber nebeneinander zwei Sterne, unter dem Kreuz in der Mitte einen dritten Stern (es mögen die 'drei freundlichen Sterne' aus Th. Körners Liede sein); in der Mitte des Kreuzes steht ein K (d. h. Karl). Dann folgen mit der Überschrift 'Juni 1816' zwei Oktaven. Auf der inneren weifsen Seite des blauen Umschlages, der das Heftchen umschliefst, dem Anfang des Gedichtes gegenüber sind zwei je etwa einen Quadratzentimeter grofse Stückchen Tafft, ein hellblaues über einem grünen, eingeklebt (s. dazu Strophe 7). Die folgenden fünf Seiten enthalten je drei (nicht numerierte) Oktaven, das letzte Blatt ist leer. Ein Querstrich und ein F. (d. h. Fritz) unter der letzten Zeile bezeichnen den Schlufs.

Der Dichter fühlt sich in ein reizvolles Wunderland zurückgetragen, dessen Lieblichkeiten in seiner Brust die mächtigsten Gefühle wecken (1, 2). Er erinnert den geliebten Karl an die Blüte des Schönen, die ihrem Herzensbunde entsprossen sei, und wie im Liede ein Trost auch für das Schmerzliche verliehen gewesen, das die Seele bewegt habe. Ein Lied soll auch jetzt erklingen, wo frische Lenzesherrlichkeit rings erblüht, Vergifsmeinnicht an der Quelle steht und ein empfindendes Herz der Freiheit des Waldes zustrebt (3, 4, 5). So war es auch damals, als die beiden Freunde, tief ergriffen von der Frühlingslust, Herz an Herzen dessen gedachten, was das Menschenleben an Unvergänglichem in sich birgt. Damals weihten sie zum Heiligtum den Bund, dessen Sinnbild das Kreuz ist, umgeben von den drei Sternen, und dessen Farben den Verein von Erd und Himmel bedeuten, und fühlten unter Wonnetränen sich über alle Erdennot zum Ewigen emporgehoben (6, 7, 8). Und nun erinnert er an die späterhin auf der Rheinreise gemeinsam gewonnenen Eindrücke von Natur und von grofser Vergangenheit, die aus Burgen und Domen zu der gehobenen Seele spricht. Des Rheins, des Drachenfels, wo auch nach den Prosaaufzeichnungen ein Augenblick besonderer Rührung über die zwei Wanderer gekommen ist (bei Behrens S. 182, zu vergleichen mit S. 179),1

Eben streute das Abendroth seine ersten Nelken aus, gerührt und erschüttert und gestärkt verliessen wir diesen Thron des Gewaltigen; doch im Herzen den ewigen Stachel der Sehnsucht. Wir sogen all die Seeligkeit dieses Himmels, als auf einmal uns eine ungeheure Erscheinung hinriss: ein ferner Berg brennend in den Flammen des Abendroths

gedenkt der Dichter besonders, und eine eigene Oktave, die in Gedanken und Worten sich mit einer Stelle des Reisetagebuches S. 1831 deckt, gilt der hehren 'Pflanze des teutschen Ruhmes' (9, 10, 11, 12). Eine weitere, die den Rhein als einen ‘alten teutschen Heldensang' preist (13), hat Diez im August 1817 in einem Briefe an Friedr. Gottlieb Welcker mit ganz geringen Abweichungen wiederholt (Zeitschr. f. frz. Sprache u. Lit. XVIII1 S. 242). Der deutsche Strom hat denn auch der beiden Jünglinge Herzen auf immer an sich gefesselt. Besonders teuer aber ist dem Dichter die Erinnerung an St. Goar und den dort ein Jahr zuvor verbrachten Abend des 16. Oktober 3 (bei Behrens

O du edle Pflanze des Teutschen Ruhmes, wie hast du wieder glorreich dein adlig stolzes Haupt in den reinen Aetherhimmel erhoben; wie strahlst du prächtig in den Diamanten der auf dich geweinten Thränen, wie purpurn aber auch in den Rubinen des dir geopferten Blutes: Dein Haupt mit einer stolzen, über den Bliz erhabenen Sternbinde geziert: Deine Knospen Kronen, deine Blätter Tafeln des Ruhmes, deine Zweige Sprossen, die den Himmel stürmen. Aber hier, an den Ufern des Rheinstromes steigt dein Stamm aus den Felsen, sie sind deiner Festigkeit Grundsäulen, Bürgen deiner ewigen Dauer.

2 Vor einiger Zeit war ich auf dem Taunusgebirg und habe den Rhein wieder einmal gesehen, der wunderbare Gefühle in mir geregt hat; ich habe ihn immer als einen alten Teutschen Heldensang betrachtet, und defshalb einmal diese Strophe auf ihn gemacht:

'Was bist du anders du erhab'ner Rhein
Als ein uralter Teutscher Heldensang;
Was Dunkles birgt der graue Runenstein,
Das kündet laut dein zauberfroher Klang;
Es lauschen still in Früh- und Abendschein
Der Burgen kühne Geister dem Gesang;
Wie tausend helle Zungen von Krystall
Aus Felsen locken dunklen Liedes Schall.'

(Das Semikolon vor 'Wie' kann irre machen. Gemeint ist natürlich: die Geister der Burgen lauschen dem Schall, den tausend helle Zungen von Kristall, d. h. Wellen aus Felsen hervorlocken.)

3 Wir kehrten im schöngelegenen Gasthaus zur Lilie ein, wo wir uns mit einer Flasche guten Weines noch höher stimmten. Auf dem Bette liegend, lasen wir Ossians Krieg von Karos, eine wunderherrliche Sage. Dann bestiegen wir die steile Feste und lasen, in einem Fenster sitzend, unsere edlen Lieder. Aus dem Fenster unseres Gasthauses aber saugen wir bis zum Abendlichte des Mondes die glorreichste Aussicht. Am Rhein gewandelt unter Mond und Sternen, unter der ewigen Anregung unserer geliebtesten Lieder:

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Beseeligt gingen wir zur Tafel, die uns ein Preussischer Obrist mit Kunden aus Paris würzte. Halb trunken legen wir uns nieder.

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