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lebt und webt zu unterhalten, ist ein gut Theil von dem Reiz zu suchen, den seine Werke immer und immer wieder mit gleicher Frische, mit gleicher Wärme ausüben.

Haben wir bis jetzt erkannt, wie der Dichter für Momente aus dem Menschenleben heraustritt, sei es um in der Mutter Natur Erquickung zu bieten, sei es um auf der Folie der Natur das Menschengetriebe sich frischer und deutlicher abheben zu lassen, so können wir andern Stellen wieder abmerken, wie er in ihnen tiefer als gewöhnlich in das menschliche Herz hinabsteigt und mit grösserer Wärme und in gehobenerer Rede mehr der unmittelbaren Empfindung Ausdruck leiht.

Es ist besonders die Liebe, die unmittelbar als Empfindung hervorbrechend gewissen Stellen einen reicheren Schmelz verleiht, die dieselben sogar bei dramatisch gehaltener Sprache in einem lyrischen Colorit erscheinen lässt. Und zwar ist es jede Art von Liebe, die in solcher Weise in ihm ihre Rechnung findet, sei es, dass sie sich erklärt, in ihrer Freude jubelt, in ihrem Unglück trauert, in ihrer Sehnsucht seufzt, sei es, dass sie enttäuscht aufbrausend flucht oder sich still verzehrend wehklagt. So die schwärmerische glückliche oder unglückliche Liebe des Jünglings und der Jungfrau (Romeo and Juliet, A Midsummer-Night's Dream, The Two Gentlemen of Verona, Love's Labour's Lost, Tempest, Cymbeline etc.), die Kindes- und Elternliebe (King Lear, Coriolanus, Tempest), Freundesliebe (The Merchant of Venice), Gattenliebe (The Winter's Tale, Othello, All's well that ends well), so auch die Vaterlands-, Fürsten- und Unterthanenliebe (Richard II., King John etc.). Es würde wohl zu weit führen, aus all diesen Werken die hierhergehörigen Stellen auszuscheiden. Hervorheben aber müssen wir doch drei Stellen aus dem »hohen Lied der Liebe, aus >>Romeo and Juliet,« schon desshalb weil dieselben, wenn auch dem Faden des Dramatischen eingereiht, doch in ihrem Bau sich an uralte Liederformen anschliessen und darin also schon ihren lyrischen Charakter documentiren. Es ist dies die Liebeserklärung Romeo's Steuerwald, Lyrisches.

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auf dem Balle, das Selbstgespräch der Julie vor der Brautnacht, und die Scheidescene am Morgen nach dieser Nacht. »Wollte sich der Dichter hier,« sagt Gervinus,*) >>wo seine grossartige Kunst der Charakterisirung und Motivirung nicht den vollen Raum hat wie in den dramatisch belebten Theilen des Stückes, mit diesen auf gleicher Höhe halten, so musste er dem lyrischen Ausdruck den grösstmöglichen Gehalt und Reiz zu geben suchen. Er that das; jeder Leser wird gerade zu diesen reizvollen Stellen immer am liebsten zurückkehren. Indem Shakspere aber nach dem wahrsten Ausdrucke, nach der reinsten dichterischen Form in eben diesen Stellen suchte, lässt sich ein Kunstgriff, wir werden besser sagen, ein Naturgriff nachweisen, den er gebrauchte, um diesen Stellen den tiefsten und weitesten Hintergrund zu geben. Er hat sich in allen drei Stellen an stehende lyrische Dichtungsarten angeschlossen, die der jedesmaligen Lage entsprechen, und sich mit den herkömm lichen Bildern, Formen und Vorstellungen der betreffenden Gedichtarten ganz gesättigt. Die drei Gattungen, die wir meinen, sind das Sonett, das epithalamische (Hochzeit-) Gedicht und das Tagelied.«

Das Sonett, in welchem Romeo und Juliet auf dem Balle sich ihre Liebe kund geben, lautet (I, 5, 95 f.):

Rom.

If I profane with my unworthiest hand
This holy shrine, the gentle fine is this:
My lips, two blushing pilgrims, ready stand
To smooth that rough touch with a tender kiss.
Jul. Good pilgrim, you do wrong your hand too

much,

Which mannerly devotion shows in this;
For saints have hands that pilgrims' hands
do touch,

And palm to palm is holy palmer's kiss.

G. G. Gervinus: Shakspere I. Bd., p. 259 f.

Rom. Have not saints lips, and holy palmers too?
Jul. Ay, pilgrim, lips that they must use in prayer.
Rom. O, then, dear saint, let lips do what hands do;
They pray, grant thou, lest faith turn to despair.
Jul. Saints do not move, though grant for prayers'

Rom.

sake. Then move not, while my prayer's effect I take.

Damit schliesst aber der Dialog nicht ab, sondern wird noch vier Verse weiter in gleichem Tone fortgesetzt.

Rom. Thus from my lips, by yours, my sin is

Jul.

Rom.

purged. Then have my lips the sin that they have

took.

Sin from my lips? O trespass sweetly urged!
Give me my sin again.

Jul. You kiss by the book.

Wir bemerken, dass der Dichter sich nicht ängstlich in die Sonettenform eingeengt hat, er spinnt vielmehr noch über das Schlusscouplet hinaus den Dialog weiter, wesshalb die sonst in den Shakspere'schen Sonetten so ausgesprochen zur Geltung kommende Pointe hier abgeblasst erscheint. Im übrigen aber tritt in Ton und Bau die Sonettenform deutlich hervor. Gervinus weist in seinem Shakspere (Bd. I, p. 262) darauf hin, wie in dieser Gattung, die von Petrarca*) der Liebe gewidmet worden war, von dem Beispiele des italienischen Meisters her fast immer nur die geistige Seite der Liebe in aller Verklärung und Heiligkeit gefeiert worden sei. Er findet es daher ebenso sinnig wie wahr, dass der Dichter sich an diese kanonische Gattung,

*) Petrarca selbst wird in dieser Tragödie II, 4, 41 erwähnt. Mercutio sagt dort von Romeo: >>Now is he for the numbers that Petrarch flowed in.<<

in der die Lyrik die ersten und reinsten Liebesregungen ausspricht, angeschlossen hat in dieser ersten Begegnung, wo sich der werbende Mann der Geliebten wie einem Heiligenbilde mit der Ehrfurcht der Unschuld nähert und sich mit seiner Erklärung ganz in geistiger Sphäre bewegt. Der Monolog der Juliet vor der Nacht ihrer geheimen Zusammenkunft, in welchem wir in gewissem Sinne im Gegensatz zu dem nachher folgenden Tagelied ein Abendlied vor uns haben, lautet (III, 2, 1 ff.).

Gallop apace, you fiery-footed steeds,

Towards Phoebus, lodging: such a waggoner
As Phaeton would whip you to the west,
And bring in cloudy night immediately.
Spread thy close curtain, love-performing night,
That runaway's eyes may wink, and Romeo
Leap to these arms, untalk'd of and unseen.
Lovers can see to do their amorous rites
By their own beauties; or, if love be blind,
It best agrees with night. Come, civil night,
Thou sober-suited matron, all in black,

And learn me how to lose a winning match,
Play'd for a pair of stainless maidenhoods:
Hood my unmann'd blood, bating in my cheeks,
With thy black mantle; till strange love, grown bold,
Think true love acted simple modesty.

Come, night; come, Romeo; come, thou day in night;
For thou wilt lie upon the wings of night

Whiter than new snow on a raven's back.

Come, gentle night, come, loving, black-brow'd night,
Give me my Romeo; and when he shall die,
Take him and cut him out in little stars,
And he will make the face of heaven so fine
That all the world will be in love with night
And pay no worship to the garish sun.
O, I have bought the mansion of a love,
But not possess'd it, and, though I am sold,

Not yet enjoy'd: so tedious is this day
As is the night before some festival

To an impatient child that has new robes.

And may not wear them. O, here comes my nurse,
And she brings news; and every tongue that speaks
But Romeo's name speacks heavenly eloquence.

Hören wir, wie Gervinus sich über diese Rede äussert (p. 261):

>>Der Monolog der Julia vor der Brautnacht erinnert dies hat Halpin in den Schriften der Shakspere-Gesellschaft in seiner Weise voll Geist nachgewiesen an die lyrischen Epithalamien, die Hymeneen, die Hochzeitsgedichte der Zeit. Der Leser möge diese wundervolle Stelle lesen, die Spielerin sie spielen mit jener äussersten Sinnigkeit, die die lauten Worte wie zu stillen Gedanken ermässigt. In der allegorischen Mythe dieser hochzeitlichen Gedichte, wies Halpin nach, spielte Hymen so lange die Hauptrolle und hielt sich Cupido verborgen, bis an der Thüre der Brautkammer der ältere Bruder seinen Dienst dem jüngeren abtrat. Man muss annehmen, Julie kannte diese Lieder und diese Vorstellungen und braucht in ihrem Selbstgespräche die ihr geläufigen Bilder. Julie setzt die Anwesenheit des Amor, nach den Vorstellungen jener Gedichte als selbstverstanden voraus; sie bezeichnet ihn mit dem Beinamen des Ausreissers (runaway, der opaлeridag des Moschus), der ihm herkömmlich zufiel, weil er seiner Mutter zu entlaufen gewohnt war. Sie wünscht die Nacht herunter, dass Romeo unbemerkt zu ihr eile; selbst das Auge jenes Flüchtlings möge sich schliessen; er möge, heisst dies, seinen Dienst, die Brautkammer zu erleuchten, in diesem Falle nicht versehen, wo Heimlichkeit und Dunkel geboten ist. Halpin meint, dass der blinde Cupido ein Emblem eben solcher geheimnissvollen Eheverbindungen gewesen sei, denn auch in Imogen's Schlafzimmer, die eine solche heimliche Ehe eingegangen war, stehen zwei blinde Cupido's. Die Abwesenheit der Hochzeitfeste unter glücklicheren Auspicien

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