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Rachel

(Wie reich die ältere deutsche Literatur an satirischen Schriften, in Versen und Profe sei, davon kann man sich aus dém dritten Bande von Hrn. Flögels Geschichte der komischen Literatur belehren. Die beiden lezten Jahrz hunderte waren vorzüglich ergiebig an Satiren, die großens theils durch die beiden großen Revolutionen der Kirchenvers befferung und des dreißigjährigen Krieges veranlaßt wurs den. Unter den Dichtern der Opißischen Schule, die auf die Verbesserung der deutschen Poesie so großen Eins fluß hatte, ist in dieser Dichtungsart Joachim Rachel am merkwürdigsten. Er wurde 1618 zu Lunden in Norderdits marschen geboren, und starb als Rektor zu Schleßiig, 1669. In seinen zehn Satiren ist die Nachahmung der klassischen Satirendichter des Alterthums überall fichtbar; zugleich aber besaß er viel Originalität und Stärke des Vortrags, der nur oft in eine zu rauhe und ungebildete Sprache eingekleidet ist. Die vier plattdeutschen Satiren, oder veer olde beróhmde Scherzgedichte, die den Rachelischen gewöhnlich beiger druckt find, haben Joh. Wilh. Laurenberg, damaligen Professor zu Rostock, zum Verfasser.)

Die Kinderzucht.

Was wider Tugend läuft, und die Vernunft kann
Strafen,

Das sehn die Jungen erst von ihren alten Affen.
Hat Friß die Karten lieb; das Kind weiß insgemein
Was Schüppen, Rauten, Kleeb, was Papst und Kd:
nig sein.

Verkehret Polus gern, ist klug in allen Tücken,
Und kneipt die Würfel wohl; das Kind spielt mit den
Bricken.

Welch Kind gewohnet sich hernach zum grûnen Kraut,
Das nichts als Neckerwein und Wildgebratens schaut:
Das von dem Vater sieht, wie er die Schnecken schlinget,
Die Spargel halb abbeißt, den Stör zu Tische bringet,
Beisp. S. 2. B,

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Arts

Rachel.

دسر

Rachel.

1

Artschockenblätter klaubt, das Straußenhirn zerbricht,
Die Karpenzunge sucht, die rohen Austern sticht?

Wie kann doch Rutilus die Knaben Sanftmuth
lehren,

Der keinen Lautenklang noch Spiel so gern mag hören,
Als der Karbatschen Streich: die für Sirenen preist,
So oft man auf den Knecht als wie ein Henker schmeißt;
Mecht ein Antiphates dem zitternden Gesinde,.
Der niemals fröhlich ist, als wenn er nur geschwinde
Die Folter bringen sieht: der nie kein einigs Wort,
Als nur mit Hagel, Blitz und Donner! bringet fort.
Sollt' aller Augenluft, die Julian aus Meißen,
Mit Recht sein ungehaubt, und so lang Jungfrau heiß
sen,

Die von zehn Jahren an, bei Tag und später Nacht,
Dem Buhler einen Brief von ihrer Mutter bracht?
So geht es von Natur. Das Böcklein folgt den Ram

men,

Der Apfel fällt nicht weit gemeinlich von den Stam

men.

Der Mutter Abriß ist die Tochter insgemein:
Wie iho Thais ist, so wird ihr Kind auch sein.
Nur wenigen hat das der höchfte Gott gegeben,
Aus sonderlicher Huld, daß sie vom bösen Leben
Der Eltern abwärts gehn, als wenn gemeine Pest
Von tausenden kaum zehn unangestecket läßt.
Drum scheut und fürchtet euch, ihr Alten vor den Jun
gen,

Laßt kein unehrbar Wort entfahren von den Zungen.
Ein Kind hört gar genau: Es mèrkt das zarte Herz
Und denkt gar lange nach dem ungesalznen Scherz.
Vor Kindern sollen wir uns jederzeit entsehen

Mehr als vor großen Herrn; weil auch ihr Engel ste:

hen

Dem höchsten Gott zu Dienst.

mund,

Weg, Flucher, Låsters

Nachtschwärmer, Lügener, Garsthaminel, geiler Hund,
Wo zarte Kinder sein! Es sei in keiner Zechen

Der Vater und der Sohn. Wie kann der Bachkrebs
sprechen:

Geh

Beh grade vorwärts hin, mein Kind, nicht hinter dich!
Micht er nicht sprechen: du mein Vater lehre mich
Und geh mir grade vor! Wie kann ein Alter schlagen
Und strafen seinen Sohn, daß er in vierzehn Tagen
Kaum einmal nüchtern ist, der selber sucht den
Schmauß,

Und såust in Floribus zwei Dußend Glåser aus?

Wenn dich ein fremder Gast will kommen heim zu

suchen,

Da geht das Treiben an mit schelten und mit fluchen:
„Magd, kehr die Stuben dus, råum alles von dem
- Tisch,

Thu weg das Spinngeweb mit einem Flederwisch,
„Spůl alle Becher aus, vergiß die silbern Kannen
Und großen Humpen nicht! Geh, Hurenkind, von
dannen

Daß dich der Hagel schlag! Zünd etwas Mastir an,
Und fege bald hinweg, was dort der Hund gethan!"

Du Narr, ist dir so viel und hoch daran gelegen,
Daß einem fremden Gast nichts faules lieg't in Wegen,
Barum läßt du dir nicht die höchste Sorge sein,
Daß auch dein ganzes Haus sei aller Laster reint
Daß alles ordentlich und richtig möge stehen,
Damit dein zartes Kind nichts årgerlichs mag sehen?
Es preiset dich die Stadt und hålt dich Ehren werth,
Daß du mit einem Sohn die Bürgerschaft verehrt;
Jedoch, so fern du ihn mit Fleiß haft auferzogen
Dem Lande Dienst zu thun, zum Handwerk oder Bos

gen

Zur Pflugschaar oder Schwerdt, wo nicht? zu einem
Mann,

Der mit Verstand und Rath zum Besten dienen kann;
Der flug und tüchtig ist die Unschuld zu verfechten,
Versteht der Katser Satz, zusammt den Landesrechter,
Der nicht bei tausenden zu Leipzig hat verzehrt,
Und bringt Beschicklichkeit kaum dreier Heller werth.

Daran liegt mächtig viel, mit welcher Lehr und Les
ben,

Zu welchen Sitten du pflegst Unterricht zu geben,

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Rachel.

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und leiten deinen Sohn.

Der Storch fleugt an den

Bach

Und sucht die Schlangen auf, und geht den Fröschen
nach,

Versorgt damit sein Nest. Sobald die Jungen fliegen,
Befleissen sie sich auch dergleichen Raub zu kriegen,
Der Raben Mutter sucht am Galgen ihr Gewinn,
Und trägt das blutig Was den kahlen Jungen hin.
So thut ihr Kleines auch, sobald es sich kann åßen,
Und weiß auf einen Baum ihr eignes Nest zu sehen.
Der Adler fångt ein Reh, das lernet auch sein Kind,
Sobald die Fittig' ihm nur recht gewachsen sind.

Petronius war toll mit Häuser aufzubauen, Mocht lieber nichts als Kalk, als Stein und Meiffel schauen,

Macht Häuser wie ein Schloß, nahm ganze Straßen

ein,

Und sollte mit Gewalt das Geld verschwendet sein.
Noch blieb den Erben gnug. Der Sohn riß alles nie
der,

Was kaum gemachet war, und baut es herrlich wieder.
Jehund besitet er nach vielem Ungemach
Ein Hauslein ohne Thür, und gleichfalls ohne Dach.

Wie aber kommt doch dieß? Nach all en bösen Dins

gen,

Nach allen Lastern pflegt die Jugend selbst zu ringen,
Darf keines Treibers nicht. Nur zu dem Geiß allein,
Will sie gemeinlich nur und fast gezwungen sein.
Vielleicht betreuget sie das ernstlich Sauersehen,
Weil er der Tugend gleich pflegt sittsam herzugehen,
Will häuslich sein genannt, nicht fröhlich oder wild,
Der Arbeit zugethan, die leere Såckel füllt.

Drum wird dem Geizigen der Ruhm auch beigemessen,
Daß er fein råthlich sei, dem Saufen, Spielen, Fress
sen,

Und aller Hofffahrt feind, weil er so sorg lich spahrt,
Und jedes Gerstenkorn wie einen Schatz verwahrt.
Das lobet jedermann, insonderheit die Greisen,
Die Jugend auf den Weg des Reichthu ms anzuweisen :
„Dem

Dem folge nach mein Kind!" Als wenn allein auf, Rachel.

Geld,

Die höchste Seligkeit der Menschen set gestellt.

Doch wie ein Anfang ist in allen andern Dingen,
So hat dieß Laster auch den Anfang vom Geringen,
Und nimmt gemählich zu. Denn willst du Meister sein,
So lerne wohl zuvor der Knaben Einmahl Ein.
Sobald ein tausend Mark zusammen ist geheget,
Und tausend noch darzu, der Grund ist schon geleget.
Zwei doppelt machen vier, und zweimal vier sind acht:
Freund, Kurzweil, gute Tag, und gut Bier gute
Nacht!

Da fångt er ernstlich an zu schaben und zu kraßen,
Er giebt die Gråten nicht den Hunden oder Kaßen,
Er schmålert dem Gesind' ihr zugetheiltes Brodt,
Er selber leidet Durst und schwere Hungersnoth.
So viel das Geld ihm wächst, so wachsen auch die Sor
gen,

Er spart den Heringsschwanz bis auf den andern Mors

gen.

Er frißt das weiße Brodt, und trinkt den besten Wein,
Der in ganz Frankenland den Hunden ist gemein,
Kofent ist viel zu theur. Er zeichnet alle Stücken,
Er schleußt den Knoblauch weg, sammt einer halben
Brücken,

Er frißt lebendig Speck, schön wie arabisch Gold,
Darauf kein Bettler ihm zu Gaste kommen wollt’.
Ist der nicht doppelt toll? ist der nicht ganz von Sins

nen,

Der andern sparen will, und nichts für sich gewinnen ;
Der nimmer satt sich frißt, hat keinen guten Tag,
Nur darum, daß er reich am Gelde sterben mag.
Indessen wächst der Schaß, und nimmt bei großen
Haufen

Durch Monathzinsen zu, da geht es an ein Kaufen.
Ein Landguth ist zu schlecht zu nähren solchen Mann,
Der nächste Meierhof der steht ihm trefflich an,
Und jener noch dazu, sammt so viel hundert Morgen:
Der Nachbar leidet Noth; du kannst so lange borgen,

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